Meat/Rice: Ernährungspolitik in der Geschichte der USA

Shownotes

Dr. Anja-Maria Bassimir ist Historikerin, Religionswissenschaftlerin und Amerikanistin und forscht zu bürokratischen Humandifferenzierung im Kontext von Migration und Sozialstaat in den USA - konkret interessiert sie sich für Ernährungspolitik in den USA der 20er und 30er Jahre.

Wer galt damals guter Arbeiter, Konsument und Bürger und was sollte er essen? Die damaligen Empfehlungen prägen die Esskultur der Vereinigten Staaten bis heute – Arbeiter sollten möglichst kalorienreiche und günstige Nahrung zu sich nehmen. Immerhin waren die Empfehlungen auf körperlich hart arbeitende Männer angelegt. Andere Ernährungsprogramme richteten sich an Frauen, die für die Ernährung der gesamten Familie zuständig waren. Auch die Ernährung von Migrant:innen spielte eine Rolle. War ein chinesischer Arbeiter, der viel Reis zu sich nahm eine billige Arbeitskraft oder ein schlechter Konsument?

Übrigens: Anja-Maria erwähnt Till van Rahden, der auf Begriffsgeschichte eingeht, auch in diesem Podcast ist er zu hören – in Folge 7. Und um das Thema Nahrung geht es auch in Folge 6 Reis/Bohnen mit Elena Reichl.

Der SFB 1482 Humandifferenzierung ist an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und am Leibnizinstitut für europäische Geschichte angesiedelt. Finanziert wird er von der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Podcast Team: Host: Friederike Brinker Producer: Marco Mazur studentische Hilfskraft: Tamara Vitzthum

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Kontaktieren könnt ihr uns natürlich auch per Mail: sfb1482.kommunikation@uni-mainz.de Foto: Stephanie Füssenisch

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AB: Effeminate, also der verweiblichte chinesische Arbeiter gestellt, der so billig leben kann, dass ihm eine Portion Reis reicht und er damit eben den guten amerikanischen Standard und den Arbeitsstandard unterwandern, unterbieten kann. Und deswegen nicht, ja, nicht willkommen ist in den USA.

FB: Hallo, wir sind das Podcast Team Frederike Brinker,

TV: Tamara Vitzthum

MM: und Marco Mazur. Anna-Maria Bassimir ist Postdoc im Projekt Migration und Sozialstaat in den USA. Sie beschäftigt sich mit bürokratischer Humandifferenzierung. Wie sortiert der Staat Menschen, die in ihm leben? Konkret betrachtet sie dieses Thema am Beispiel der Ernährungsspolitik. Was ist ein guter Arbeiter, Konsument oder Bürger und was sollte er essen?

TV: Noch etwas. Unsere Evaluation des Podcasts läuft noch weiter. In den Shownotes gibt es einen Link zu unserer Umfrage. Lasst uns also wissen, was euch stört, welche Themen ihr euch wünscht und was vielleicht auch schon ganz gut läuft.

MM: Sone und Solche, ein Podcast über Menschen und wie sie sich unterscheiden und wie die Kulturwissenschaften dazu forschen. Mit dem Sonderforschungsbereich Humandifferenzierung.

AB: Genau. Also was wir, glaube ich, spannend finden, ist sich so die im SFB sagen wir oft, Außengrenzen der Humandifferenzierung anzuschauen. Und man kann eben an solchen Fällen zeigen, wie das wir in Abgrenzung zu den anderen zum Beispiel differenziert wird, also wie anhand von Integration von Immigranten in den Arbeitsmarkt oder diesen ganzen Diskursen darum herum, dass eben Arbeitskräfte entweder gebraucht werden und deswegen reingeholt werden oder eben den amerikanischen Lebensstandard unterwandern und deswegen ausgeschlossen werden. Da kann man dann auch Konsumpolitik irgendwie beschreiben und eben so was wie Idealvorstellung eines amerikanischen Konsumenten oder auch eines amerikanischen Bürger. Und meistens männlich gedacht, aber auch der amerikanischen Bürgerin bzw. Dann das eine Beispiel was wir immer gerne nehmen ist Asiaten, insbesondere Chinesen wurden zunächst juristisch sogar von der Einwanderung ausgeschlossen. Es gab diesen Chinese Exclusion Act 1882 und dann später, heute würde man ja von von asiatischen Minderheiten als eine Art Model Minority, also eine besonders gut wirtschaftlich integrierten Minderheit in der amerikanischen oder der US amerikanischen Bürgerschaft ausgehen. Also diese Sachen. Da kann man sehr schön ablesen, wie sich das Amerikaner Sein, die Humandifferenzierung amerikanischer Nationalstaat vielleicht auch ändert an der Stelle.

FB: Und das heißt, früher hat man einfach gedacht, die asiatischen Ich überlege gerade, ob ich es irgendwie richtig verstehe, dass die asiatischen ImmigrantInnen bzw Immigranten dann ja, vor allem, quasi einfach zu wenig konsumiert haben, oder?

AB: Genau ja, also da kommen wir, da kommen wir auch schon direkt in mein Projekt rein, wo es vor allem um Food Policy geht. Und ich habe mich auf diesen Bereich Food Policy konzentriert, weil Sozialpolitik insgesamt oder Sozialstaatlichkeit zu groß ist, aber mich auch so dieses eine Beispiel total fasziniert hat. Es gibt ein Dokument, das heißt, natürlich vergesse ich jetzt wie das Dokument heißt, aber es geht darum, dass die die Gewerkschaften sich für diesen Exclusion Act, also für den Ausschluss von chinesischen Einwanderern aussprechen, und zwar genau mit dem Argument nicht, dass sie nicht gute Arbeiter wären. Im Gegenteil, die sind zu gute Arbeiter. Also hier zieht das Argument nicht, dass sie nicht ja nicht arbeitskräftig, nicht, aufopferungsvoll-mäßig gut genug sind, sondern im Gegenteil, sie sind dahin gehend zu gut und sie sind auch zu gut, weil sie zu wenig konsumieren. Also genau das Dokument heißt Meat vs. Rice und Meat ist natürlich der amerikanische Lebensstandard eines Arbeiters, eines guten weißen, in Anführungszeichen mitgedachten Arbeiters, der natürlich am Abend sein Steak essen will. Und dagegen wird dann der effeminate, also der verweiblicht chinesische Arbeiter gestellt, der so billig leben kann, dass ihm eine Portion Reis reicht und er damit eben den guten amerikanisch Standard und den Arbeitsstandard unterwandern, unterbieten kann und deswegen nicht ja, ja nicht willkommen ist in den USA.

FB: Okay, und welche Arbeiter hat man sich gewünscht? Also Europäer dann wahrscheinlich vermutlich, oder?

AB: Ja, also da kommen wir direkt in diese Diskussion rein, wo eben auch Einwanderung verschärft wird, Einwanderungsgesetze verschärft werden. Man sagt ja, so bis 1900 ist das relativ offen, wer einwandern kann. Dann gibt es so Gesetze, die ausschließen, dass geistigbehinderte, kranke Leute, die absehbar dem Staat zur Last fallen werden und so weiter ausgeschlossen werden. Und dann eben 1925 und das müsste ich noch mal genau nachgucken. Eben auch die ersten verschärften Richtlinien, die auf ganze Nationalgruppen abzielen.

FB: Anna-Maria hat uns hier noch eine kleine Korrektur geschickt. Es geht um den Johnson Reed Act von 1924. Das Gesetz legt die Quoten fest, aus welchen Ländern wie viele Menschen einwandern durften. Asiaten wurden ganz ausgeschlossen.

AB: Hier ist dann die Diskussion in den Gewerkschaften natürlich, ja, Leute rauszuhalten um US Amerikanern den Vorzug zu geben. Was natürlich auf Seite der Arbeitgeber anders aussieht. Die wollen natürlich billige Arbeitskraft haben, aus anderen Ländern gerne einkaufen. Von daher ist das nie ganz klar was der gute Arbeiter in der Hinsicht ist. Kommt also in der Geschichte sowieso immer auf die Situation, auf den Kontext, auf die Zeit an. Aber diese beiden Pole gibt es auf jeden Fall. Das eine ist eben, einen gewissen Standard aufrechtzuerhalten für den guten weißen, alles in Anführungszeichen amerikanischen Arbeiter und das andere eben billige Arbeitskraft für die US-Industrie Ja, genau.

FB: Genau. Und der hat sich da durchgesetzt. Was für Arbeiter sind dann tatsächlich gekommen?

FB: Ja, also das kann ich so nicht beantworten. Ja, also die Grenzen werden ja erst mal sozusagen an den an den Ozean zugemacht. Also mitten mit auf der einen Seite Ellis Island und auf der anderen Seite Angel Island. Gibt es da Kontrollposten, was aber natürlich die ganze Zeit offen ist und auch eine ganze Weile nicht mitgedacht ist, ist die Grenze zu Mexiko oder auch die Grenze zu Kanada, über die dann viele mehr oder minder legal einwandern und wo in der Literatur ja auch darüber diskutiert wird, dass das ganz oft ja auch klein gemacht, also gerade von Arbeitgeberseite klein gemacht worden ist, dass die eine Gefahr darstellen würden, weil also der Diskurs war, das sind ja nur saisonale Arbeitskräfte, die wollen und können gar nicht in die amerikanische Nation integriert werden, die US amerikanischen natürlich, weil die ja immer wieder nach Hause gehen. Und wenn sie genügend Geld haben, dann auch irgendwie da in Mexiko ihre eigenen Farmen bauen und wegbleiben sozusagen. Das ändert sich natürlich dann später, wo dann heute, wenn man sieht das ja oder hat das mit der Trump Regierung ja alles mitbekommen, dass man da diese Grenzen auch baulich ganz anders ausrüstet und befestigen will, weil man jetzt auf einmal diese mexikanische Gefahr, alles in Anführungszeichen natürlich, beschwört. Aber wie gesagt, das war nicht immer ganz so klar, dass da also wie gesagt, die Grenze war lange offen und man hat diese zumindest von Arbeitgeberseite, diese Arbeitsmigranten auch gerne gesehen.

FB: Ja, wieso eigentlich dieser, dieser Zeitraum zwischen den Weltkriegen ist da. Hat sich da auch irgendwas geändert in diesem Zeitraum oder warum ist der besonders spannend?

AB: Ja, also da geht es vor allem darum, dass sich einerseits so ganz grob in diesem Rahmen die Gesetzlichkeiten für für Einwanderungen ändern und dann natürlich auch der Sozialstaat langsam erst aufgebaut wird. Also ja, so richtig Sozialstaatlichkeit. Das ist nicht vergleichbar mit dem europäischen Kontext, obwohl es da viele Ideen und viel Austausch natürlich auch aus dem europäischen und aus anderen Kontexten gab. Aber der erste Weltkrieg hat da schon viel verschoben, weil die Angst dann war, dass viele dieser sozialen Reformbewegungen auf einmal deutsch konnotiert mit dem Kaiser in Verbindung gebracht und mit dem Weltkrieg ja dann eben auch negativ bewertet worden sind. Und deswegen hat sich da ganz viel dann auch geändert. Das heißt, dann wird natürlich ein Sozialstaat auf eine bestimmte Art und Weise auch in den USA gebaut, aber eben in Abgrenzung dann eben auch zu dem, was vielleicht davor an Ideen, also der Ideenpool war viel größer und vielleicht auch transnationaler als das, was dann sich daraus entwickelt hat. Und über die beiden Weltkriege das prägt natürlich auch die Sozialstaatlichkeit in den USA mit. Genau deswegen, so ganz grob dieser Kontexten. Und gleichzeitig verändert sich eben ja die ganze Gesellschaft, vor allem auch durch die Art der Arbeit, also Industrialisierung, die Technisierung, eine bestimmte Expertenkultur, die sich herausbildet. Ich habe ja schon gesagt, also die die Arbeit, also das Ideal des Arbeiters, wandelt sich in der Zeit hin zu einem Ideal des Konsumenten. Also so ein bisschen die Zeit des Konsumerismus, die da eben dann auch beginnt. Deswegen ist diese Zeit irgendwie, weil sie so vielfältig und so viele Brüche vielleicht auch mitbringt, kann man sich genauer anschauen. Aber genau deswegen ist das auch eine spannende Zeit.

FB: Ist das ein spezifisch für die USA, dass einfach der Arbeiter so auch gleichzeitig als Konsument gedacht wird, oder?

AB: Ich habe keinen Vergleich gemacht. Von daher kann ich das nur schwer beantworten.

FB: Ja, du hast es ja auch gesagt, dass vor allem Männer da gedacht wurden wie war es denn mit den Frauen. Also es gab doch auch Arbeiterinnen oder?

FB: Ja klar, aber auch da die die Frau wird ja oft als domestic, also als häusliche Arbeitskraft gesehen und der Markt differenziert dann eben auch, was bezahlbare Arbeit ist und was weniger. Also was, was eben unsichtbar wird dadurch, dass es eben keine Bezahlung dafür gibt. Also diese ganze Care Work, wie man so schön sagt. Also alles, was in den Bereich von von Sorge und Fürsorge, also auch da kommt es auch wieder mit sozialstaatlichkeit, also auch da, diese ganzen Bereiche sind oft nicht bezahlt worden, von daher werden die dann auch unsichtbar, einer gewissen Art und Weise. Natürlich gab es auch andere Sachen, wo man dann auch in der aufkommenden Industrie natürlich Arbeiterinnen auch einsetzte, vor allem dann auch in der Kriegsindustrie. Wenn die Männer dann im Krieg sind werden. Also Rosie the Riveter oder so was kennt man ja. Also Frauen, die in der Metallindustrie dann tatsächlich auch als Schweisserinnen gearbeitet haben. Das sind so ikonische Bilder in der US Geschichte. Also da sieht man dann, da werden dann auch Frauen sichtbar, die aber tatsächlich nach dem Krieg oft auch wieder verdrängt werden. Oft wieder. Ein Babyboom kommt ja nicht von ungefähr, oft dann auch wieder in die Häuslichkeit verdrängt werden in dem Moment, wo es wieder genügend männliche Arbeitskraft gibt. Genau. Also von daher und natürlich wir gucken uns bürokratische Humandifferenzierung an, wir gucken also aus der Warte einer einer Staatlichkeit, die Menschen sortiert. Und wenn man klein genug guckt, sieht man natürlich auch auch da gibt es Programme, die natürlich auf Frauen abzielen oder Arbeiterinnen vielleicht auch sehen. Aber so diese ganz grobe Perspektive ist dann natürlich erst mal, also in meinem Fall dann um die Jahrhundertwende, wie stelle ich einen Ernährungsprogramm auf, das natürlich auf einen hart körperlich hart arbeitenden Mann abzielt und vielleicht dann auch die Energie tatsächlich, die diese Arbeiter braucht zunächst einmal in Men units, also in, ja in der Kategorie eines Mannes im berechnet, bevor es dann differenzierter wird.

AB: Wie wie kann ich mir dieses Ernährungs Programm vorstellen? Also ich meine, ich stelle es mir so vor, die kriegen ihr Gehalt, kochen sich zu Hause selber was oder ihre Frau kocht was. Was macht dieses Ernährungs Programm?

AB: Okay, also Ernährungs Programm. Also ich spreche von Food Policy. Also das ist so ein bisschen die, die staatlichen Vorgaben zu Ernährung und dann eben auch Programme und ja und und und Subventionen, alles was staatlicherseits in dieses Konglomerat Ernährung reinfließt. Von daher, das ist natürlich nicht, dass der Staat jetzt irgendwie vorschreibt, was der Mann essen soll, aber es ist schon so ein Stück weit ist es eben doch genau das, weil diese Food Guidelines um die Jahrhundertwende dann eben auch anstehen. Also die in der Zwischenzeit die Ernährungswissenschaft entsteht so um 1900, fängt natürlich auch haben wir diesen transnationalen Aspekt drin mit, mit, mit deutschen Chemikern an Justus von Liebig ist da der große Name sozusagen und die amerikanischen neu aufkommenden organischen Chemiker oder dann eben Ernährungswissenschaftler studieren auch ganz oft entweder bei Liebig selber oder dann bei seinen Nachfahren oder nach Nachfolgern in Deutschland und bringen dieses neue chemische Wissen über den Körper mit in die USA. Und in den USA ist der große Name dann Wilbur Olin Atwater der so die ersten Experimente oder auch sehr sehr breit. Experimente zu Kalorie macht und das in den USA einführt und dann eben auch institutionalisiert. Also er wird dann auch im US Department of Agriculture, also in diesem Farm Büro oder ich weiß nicht, wie man in Deutschland sagt, Ernährungs und Landwirtschaftsministerium im Landwirtschaftsministerium wird dann eben so eine Abteilung auch für für Ernährungsfragen. Und so weiter auch eingerichtet und er schreibt dann eben auch Ernährungs Ratgeber. Und wie gesagt, am Anfang haben die noch relativ wenig. Die haben die sogenannten drei Makro Nutrients - Fett Kohlenhydrate und was fehlt mir noch? Proteine? Ach ja, genau so, ja und viel mehr kennen die zu dem Zeitpunkt noch nicht. Die wissen, dass da noch ein bisschen was anderes gibt. Aber das ist erst mal so das große Ganze. Und sie haben die Kalorie und das ist ein sehr mechanisches Weltbild, wo man sich so ein bisschen den Mensch als Maschine vorstellt. Also das, was man rein tut, bekommt man an Energie auch raus. Und die Experimente mit Energie ist eben auch genau das, dass man versucht herauszufinden, wie Energiedichte verschiedene Nahrungsmittel sind. Man prüft also und das prüft man über über Verbrennung. Im Prinzip genau. Und so wird dann berechnet, was ein Mensch essen soll. Und die Vorgaben wie gesagt werden dann erst mal in Man Units berechnet. Und die Idee ist, dass jemand, der besonders hart arbeitet, natürlich mehr energiedicht essen muss als jemand, der nur einen Schreibtischjob macht. Also da gibt es schon ein bisschen Differenzierung. Genau. Aber letztendlich ist die Idee halt, dass man seine Arbeiterschaft möglichst auch kostengünstig ernähren soll. Also so ein Effektivität und Produktivitäts-Impetus, den man aus der Zeit ja auch kennt, ist da mit dabei.

FB: Was wäre dann so eine effektive Ernährung.

AB: Ja, also klar, wir hatten vorhin Meat versus Rice, das heißt man kann den amerikanischen Arbeitern eben nicht sagen, dass sie doch Reis und Bohnen essen sollen. Also zu dem Zeitpunkt zumindest nicht in so Ausnahmefällen wie Kriegen kommt es dann doch, aber in dem Moment kommt das nicht. Da kommt dann billiges Fleisch, fettiges Fleisch also. Also man soll sich ökonomisch Energiedichte ernähren und so Sachen wie Grünzeug sind halt. Das ist frivoles Zeugs, was sich die Oberklasse vielleicht leisten kann. Aber ein ordentlicher Amerikaner isst Meat and Potatoes.

FB: Also quasi Schnitzel und Pommes.

AB: ja in Deutschland Schnitzel und Pommes, bei denen wahrscheinlich Steak und Baked Potatoes. Aber genau das ist dann so das Programm. Genau.

FB: Na ja, das wurde damals empfohlen. Okay, ja.

AB: Und man sieht natürlich auch so ein bisschen, wo das hingeht. Und wenn man sich anschaut, ja, ja das führt zu weit, ich will nicht in die Politik.

FB: Ja, und was hat das? Und dann wurden Leute kategorisiert. Also hat man dann auch gedacht, dass vielleicht Immigranten anderen Kalorien Bedarf haben oder?

AB: ja nicht nur an anderen Kalorienbedarf, sondern die hatten andere Ernährungsgewohnheiten. Also ich hatte ja schon die Chinesen angesprochen, die dann ausgeschlossen worden sind, weil sie eben einen bestimmten Standard unterboten haben. Aber man hat zum Beispiel im Umkreis von diesem Wilbur Olin Atwater, da gab es einen Versuch, den tatsächlich Frauen gestartet haben, die sogenannte New England Kitchen. Also das war ein Experimentier Labor, eigentlich so gedacht, aber de facto war es ja ein Schnellrestaurant, wo man eben Arbeiter in also immer imigrantische Arbeiter versucht hat zu ernähren und dann über über diese Art der Essensausgabe eben auch zu erziehen, ordentlich amerikanisch zu essen sozusagen. Und diese Sachen sind mehr oder minder kläglich gescheitert, weil gerade die italienischen Einwanderer in New York gar kein Interesse daran hatten. Erstens war ihre Ernährungsweise oft viel ökonomischer als das, was diese New England Kitchen produzieren konnte, weil viele von denen auch weiterhin kleine Gärten oder zumindest kleine Blumentöpfe und ihre eigenen Kräuter und so weiter selbst gezogen haben. Also Obst, Gemüse selbst gezogen haben und damit schon mal günstig, kostengünstiger da waren und auch sehr stark an ihren eigenen Traditionen festgehalten haben. Also das, was da passiert, diese Experten Kultur, die Ernährung auf so eine sehr wissenschaftliche Art und Weise quantifiziert vergisst natürlich so was wie Kultur, Tradition, Geschmack für. Das spielt ja gar keine Rolle in dieser Art von Ernährungs Ratgeber. Deswegen ist es dann auch so eine Art Nutrition Science. Es ist eben keine - es geht nicht mehr um um Essen in dem Sinne, sondern es geht tatsächlich um um Nutrients, um Nutrition.

FB: Genau. Also wo ich mir dann heute vorstelle, so was wie wo man mir irgendwie ein Pulver gibt und sagt ja, so ein Shake ist auch eine Mahlzeit oder so was.

FB: Ja, darauf läuft es hinaus. Das fängt aber damit an, dass vorgerechnet wird, wie viel Kalorien in ein billiges Schweinesteak hat und dass du davon satt wirst und für das gleiche Geld auch einen Salat kaufen könntest, von denen du aber nicht satt würdest. Also wird dir in dem Moment empfohlen, das billige Schweinefleisch zu essen. Genau. Ja, ja, und das sehen natürlich andere Kulturen anders. Und vielleicht auch solche Dinge wie ja, wie wie kulturelles Beisammensein oder soziales Beisammensein. Die ja ganz wichtig in ganz vielen Kulturen sind. Das wird einem da aber aberzogen und anerzogen wird einem eben über Energiedichte. Das machen wir heute noch - Kalorien zählen über über numerische Qualität, also Quality becomes a Numbers Game. In gewisser Art und Weise. Also man denkt über über Ernährung im Sinne von quantitativen Qualitäten, um das mal so auszudrücken nach und nicht mehr im Sinne von was schmeckt mir denn gerade, wie fühle ich mich damit? Hat das meine Oma schon gekocht? So.

FB: ich kann mir vorstellen, dass dann auch die Mittagspause kürzer wird.

AB: Ja, das ist auch gut. Das ist ja teilweise gar nicht gegeben gewesen. Sehr oft war es ja so, dass man, dass man seine Box von zu Hause mitbekommen hat und dass sie zu Hause gepackt worden ist, was jetzt nach und nach eingeführt wird, so Lunch Programs einerseits in Schulen, andererseits aber natürlich auch Cafeteria in größeren Fabriken. Und so weiter. Und da wird dann natürlich versucht, Scientific Methods of Nutrition umzusetzen. Und da gibt es ganze Ernährungs programme dann tatsächlich auch staatlicher, lokaler oder wie auch immer, teilweise auch Fabrikinterner Art, wo dann versucht wird, eben besonders kostengünstig besonders nahrhafte Mahlzeiten zuzubereiten.

FB: Da hat man das dann auch, auf dass das von der Sozialhilfe Programme übertragen, oder?

AB: Also Sozialhilfe ist auch so ein Bereich, wo ich noch nicht so richtig rein geguckt habe. Aber es gibt natürlich Suppenküchen, ist so die eine Sache. Sozial Hilfe im Sinne von Foods Stamps kommt dann aber auch erst mit dem zweiten Weltkrieg, glaube ich. Da, da bin ich noch nicht so richtig dran und da gibt es aber auch relativ viel zu. Von daher werde ich mich da wahrscheinlich gar nicht so sehr mit befassen.

FB: Wie kommt es eigentlich, dass du dich für dieses Thema interessierst?

FB: Ja, also ich hatte vorhin schon gesagt, ich habe versucht runterzubrechen, Sozialstaatlichkeit mit diesen Aspekten, Migration und ein Thema zu finden, wo ich, wo ich gut über bürokratische Humandifferenzierung dann auch nachdenken kann und Sozialstaatlichkeit, also der Aufbau eines Sozialstaates in den USA, ist natürlich ein Thema, das sehr, sehr groß ist, wo man sehr viel zu machen kann und könnte. Das fängt mit Versicherungen an und hört bei ich weiß nicht wo auf. Und ich fand eben, weil ich mit mit Immigrationspolitik angefangen habe, dieses Beispiel Meat versus Rice, mit der mit, mit mit dieser Metapher, dass das die, die so mit ausgeschlossenen Chinesen eben nur Reis essen würden. Das fand ich eine sehr spannende Metapher, mit der man sehr viel aufschließen kann. Und da habe ich dann ja gedacht, da kann ich andocken und genau und habe deswegen dann diese Sozialstaatlichkeit auf eben Food Policy reduziert. Und auch das ist wahrscheinlich. Mal gucken. Also ich, ich werde Food Policy auch nicht komplett aufdröseln können oder komplett bearbeiten können. Aber die Idee ist natürlich, dass man an diesem Thema offizielle einen offiziellen Blick auf Ernährungspolitik im Zusammenhang mit mit diesen Außengrenzen, also wie. Wie versucht man das auszutarieren? In, wenn man zum Beispiel Migranten mit rein nimmt? Das fand ich ein ganz spannendes Thema. Und um vielleicht noch ein anderes Thema oder ein anderes Beispiel noch mal zu zeigen ist, woran ich jetzt gerade arbeite, sind sogenannte Borderlands, also die Grenzen einerseits zu Kanada und andererseits zu zu Mexiko. Und da zu gucken, wie dann Ernährungs, Ernährungsagenten sozusagen versucht haben, diese Border Populations rural border population zu erziehen und das tatsächlich in diesem Zeitraum zwischen den Weltkriegen. Und ich bin jetzt gerade an Maine dran. Für Texas habe ich noch keine Quellen, da gehe ich erst noch ins Archiv. Aber für diese, für diese Region, also ganz oben im Norden, im Bundesstaat Maine, in der Region, die auch lange zwischen Frankreich, England und den neu gegründeten USA umstritten war. Und die eine, eine Population also da, das ist wirklich eine total ländliche Region. Da kann man eben so Sachen abfragen wie Was macht das denn? Also wie stellt man sich ländliche Populationen vor? Wie stellen sich diese, diese Staatsbeamten ländliche Bevölkerung vor? Was glauben die, dass die für Hilfestellungen brauchen? Gerade diese ländlichen Farmer in dieser sehr unwegsamen Region, da wird sehr viel Bäume gefällt. Also Holzindustrie ist dort und natürlich Kartoffeln angebaut. Und wie? Wie geht man damit um? Und da gibt es dann eben auch zwischen den Weltkriegen ein aus dem US Department of Agriculture kommt aus dem sogenannten Extension Service, kommt einen Nutrition Special ist da gibt es eine, in dem Fall auch eine Frau, eine Expertin, die da eben mit ihrem Team, mit ihren Agenten und lokalen und lokaler Unterstützung Ernährung lehrt. Wie auch immer und und. Das finde ich super spannend, weil man da eben auch ganz viele Aspekte der Humandifferenzierung, Gender, Männlichkeit und dann eben auch diese Border Geschichte abfragen kann. Eben. Also es gibt eine bestimmte Population, die oft als French Americans da bezeichnet wird, die wahrscheinlich aus der ursprünglichen Settler Community der Acadians, der eingewanderten French Canadians und französischen Immigranten sich entwickelt hat, die aber lange Französisch sprechen und die eben dann auch genau.

FB: Die haben quasi auch einfach französische Küche weiter gegessen.

AB: Das ist so ein bisschen die Frage, Also das gibt so ein bisschen eine Renaissance, wo man so ein bisschen anschauen kann, weil weil die sich heute gerade wiederentdecken, wie die ihre Geschichte selbst tradiert haben. Aber die Idee ist schon, dass die ein bisschen anders gegessen haben als zumindest diese Ernährungswissenschaftler das gerne gehabt hätten. Also ich habe Quellen, wo es heißt, dass die zu faul sind, um Weizen anzubauen. Die haben Buchweizen angebaut, ist aber vielleicht auch der Region geschuldet, dem Wetter geschuldet. Da kommt so Environmental Knowledge vielleicht mit rein und vielleicht eben auch so hergebrachtes wissen vielleicht auch immigrantisches wissen, das bin ich gerade dabei anzuschauen.

FB: Gut, also man hat quasi getrennt nach Wohnort, ländlich, urban, also Region ländlich, urban, gender, Nationality und Berufsstand quasi.

AB: Das sind so Kategorien, die mir bisher auch begegnet sind. Ich versuche ja einfach, dem bürokratischen Blick sozusagen zu folgen und zu gucken, wie dann eben auch bestimmte Gruppierungen, Menschen wie auch immer angesprochen werden. Und ich sehe dann, wenn sich dann entweder was ändert oder wenn eben ja Programme aufgelegt werden für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, also zum Beispiel Frauenclubs oder. Genau, oder ich glaube im Im Hinblick auf den Zweiten Weltkrieg gibt es dann auf einmal auch diese Ernährungs Programme für Städter, also für Urbane Housewives. Natürlich. Also Zielgruppe ist da tatsächlich die Frau mit der Idee dahinter, dass die Frau für für die Ernährung ihrer ganzen Familie zuständig ist.

FB: Das hat man da auch irgendwelche Unterschiede gemacht in der Ernährung, außer von der Kalorienzufuhr?

AB: Okay, das ändert sich natürlich dann relativ fix. Nach der Jahrhundertwende entdeckt man dann noch Vitamine und Spurenelemente und dann genau das ist so eine Sache, wo sich dann sehr, sehr viel tut, wo auch die Ernährungs Ratgeber natürlich mitgehen und man kennt das vielleicht so eines der letzten Bilder, die man vielleicht auch im Kopf hat, war diese Ernährungs Pyramide, die die USDA herausgegeben hat. Und dazwischen gibt es aber eine ganze Reihe von anderen Ernährungs Ratgebern und heute ist es glaube ich glaube ich My Plate heißt das glaube ich. Also ein Teller, wo dann diese Hierarchisierung der Pyramide aufgelöst wird und das ganze so ein bisschen gleichberechtigt nebeneinander auf einem Teller zu sehen ist genau da, da ändert sich ganz viel und da ist dann natürlich die Frage, was stecken dann dafür Bilder hinten dran? Und da sieht man natürlich auch sehr schön, dass sich die Wissenschaft einfach entwickelt und dass dann die die offizielle Ratgeberliteratur sich natürlich auch anpassen muss. Neue Player kommen mit ins Spiel. Industrie, Verbraucherverbände, Verbraucherschützer. Und so weiter, die dann auch darum ringen, was da dann empfohlen wird und wie das dargestellt wird. Genau.

FB: Okay, und wie erforschst du das. Also Du gehst in Archive, also was für Archiv und wie arbeitet man in so einem Archiv? Wie passiert deine Forschung?

AB: Genau, also ich schaue mir natürlich insbesondere Textmaterial an, also als Historiker. Wir lesen sehr viel. Ich schaue jetzt weniger mir Objekte. Ich habe natürlich während der Pandemie angefangen und dementsprechend erst mal geguckt, was im Internet überhaupt auffindbar ist. Auch da gibt es ja sehr, sehr viel. Und dann war ich jetzt letztes Jahr einmal an der Ostküste der Vereinigten Staaten in verschiedenen Archiven. Unter anderem war ich in Cornell, in deren Sammlungen. Cornell ist in upstate New York, also im Staat New York, relativ ländlich gelegen. Genau. Und ich war eben auch an der Vogler Library in Maine und ach so in Arno Maine, das ist nur bekannt. Ich glaube also, Bangor ist die nächstgrößere Stadt und Bangor ist nur bekannt, weil Stephen King dort gelebt und geschrieben hat und seine Horrorromane von dort sind, aber die haben eben eine sogenannte Land-Grant University, auch eine relativ frühe und diese USDA Extension Programs, von denen ich vorhin gesprochen habe, die waren oft in Verbindung oder sind auch heute noch oft in Verbindung mit diesen Land-Grant Universities, die eben in ländlichen Gebieten sind und auch oft so ein bisschen diese Extension Programs vor allem den Anspruch haben, wissenschaftliche Erkenntnisse praktisch an die ja an die Farmer zu bringen.

FB: Okay, waren das auch die, wo dann früher diese Forschungen gemacht wurden und diese Ernährungs Programme entwickelt wurden?

AB: Ja, also die, die die Land Grand Colleges teilweise und dann eben auch die Extension Services, die haben vor allem sogenannte Demonstrations gemacht. Das heißt auch da steckt so ein bisschen die Idee dahinter, dass der Bauer nur das annimmt, was er gesehen hat und was er weiß. Das funktioniert, dass man eben ihm zeigen muss, dass neue Methoden, neue wissenschaftliche Erkenntnisse, neue Düngemittel oder neue Art Sachen anzupflanzen oder eben auch neue Maschinen oder so was. Die funktionieren und wie man das gemacht hat. Es eben, dass man in einer bestimmten ländlichen Gemeinschaft nach Bauern gesucht hat, die ein Feld oder zwei Felder oder wie auch immer zur Verfügung gestellt haben für eine bestimmte Saison, um da das auszuprobieren und die Idee ist dann, dass alle Nachbarn da dann auch drauf gucken. Und wenn das besonders erfolgreich war, dass es eine gute Methode ist, um diese Erkenntnisse dann weiter bekannt zu machen.

FB: Und ich meine, das ist jetzt alles schon 100 Jahre mindestens her. Ungefähr. Ist das heute auch noch relevant, das, was du heute erforscht. Also streckt sich das so weiter oder?

AB: Natürlich ist alles history, the past ist Prolog für für die Zukunft, oder wie war das genau? Na ja, also es geht uns ja im SFB vor allem auch darum, wie wie Kategorien entstehen, wie Humandifferenzierung entsteht. Und ich glaube, das, was wir als historische Projekte natürlich leisten können, ist, genau solche Sachen nachzuzeichnen und solche Prozesse nachzuzeichnen, wie eine Kategorie überhaupt erst mal zustande kommt und wie sie dann eingesetzt wird und wie sie vielleicht sich auch wieder verändert. Genau. Und von daher ist es jetzt nicht unwichtig. Auch für die Jetztzeit, würde ich mal sagen. Ich Ja, ich würde nicht so weit gehen, dass wir jetzt aus der Geschichte da irgendwie was lernen wollen oder so, also klar natürlich ist lernen wir immer dabei, aber so, dass wir jetzt Sachen eins zu eins irgendwie anwenden können, weiß ich nicht.

FB: Ja gut, ich meine, es reicht ja meistens auch schon, dass man das nicht weiß als Grund, dass man es rausfinden möchte.

AB: Ja, oder auch so ein bisschen. Das hatten wir ja zum Beispiel mithilfe Till von Rahden, der bei uns Fellow war, der so ein bisschen Begriffsgeschichte gemacht hat und mal aufgedröselt hat, wie dieser Begriff der Diversität aus, aus, aus ganz anderen Kontexten entstanden ist. Und wenn man so ein bisschen diese Geschichte weiß, geht man vielleicht auch anders mit Begriffen um oder weiß vielleicht, was da alles noch mitschwingt. Und das ist, glaube ich, schon hilfreich auch auch jetzt in der jetzigen Zeit, also in anderen Kontexten, in der Politik oder auch einfach im Kulturbetrieb.

FB: Ja, bei dir. Wenn diese Begriffe quasi dann so was wie Migrant oder?

AB: Das, glaube ich, also das weiß ich noch nicht, ob das wirklich so ist. Also ich ich versuch sozusagen Ernährungspolitik als ein Werkzeug zu sehen, durch den Sozialstaat Aufbau und Ausübung passiert. Und ich versuche eben diese Linse der bürokratischen Humandifferenzierung in situ mir anzuschauen und das natürlich in abarbeitend an verschiedenen Gruppen, zum Beispiel Migranten, zum Beispiel Bewohner von border States, zum Beispiel von ländlicher Bevölkerung und dann eben auch so was wie Arbeiter oder eben die Hausfrau. Also von daher, das sind Begriffe, die ich jetzt erst mal so setze und suche. Aber wie dann die Differenzierungs Prozesse selbst aussehen, das ist glaube ich was, was ein Ergebnis der Forschung sein werden. Also ich glaube nicht, dass ich dann irgendwie eine bessere Definition von Emigrant habe, sondern ich glaube eher, dass ich dann zeigen kann, in welcher Situation, in welchem Kontext Migranten auf welche Art und Weise als Gruppe angesprochen durch staatliche Akteure.

FB: Ja, okay, ich habe noch genau ich würde noch gerne wissen, wenn du nicht Amerikanistin wärst, was würdest du dann machen?

AB: Okay, also ich habe Religionswissenschaft und Geschichte studiert und arbeite mittlerweile in der Amerikanistik. Von daher ich glaube, ich bin ja ein bisschen mehr als Amerikanistin oder vielleicht habe ich auch einfach eine eine andere, einen anderen Werdegang, der mich dann in die Amerikanistik geschickt. Ich habe tatsächlich angefangen zu studieren mit Fragen wie Was ist Gesellschaft, wie funktionieren Menschen, was treibt Menschen an? Was motiviert Menschen und? Deswegen habe ich mich immer für Sachen interessiert, wie zum Beispiel Religion, Gesellschaft, jetzt eben auch Staatlichkeit, Bürokratien. Das hat mich immer fasziniert. Und da gibt es ja einen ganzen Bereich an Möglichkeiten, was man sonst noch so machen könnte, ja.

FB: Ja, ja, dann könntest du jedes unserer Fächer ein bisschen.

AB: Ich glaube, das ist so Fluch und Segen zugleich. Also man ist gut genug, um sich so ziemlich alles vorstellen zu können, aber nicht gut genug, um irgendwie exzellent in irgendwas bestimmten zu sein. Die Crux der Geisteswissenschaft.

MM: Fragen aus dem Publikum.

FB: Was fasziniert dich denn so an den USA?

AB: Also ich glaube, die USA sind einfach ein sehr, sehr großes Land mit sehr vielen Widersprüchen mit mit ganz unterschiedlichen Geografien auch, auch mit ganz unterschiedlichen Menschen. Da kommt ganz viel zusammen, auch ganz unterschiedliche ökonomische Lagen, Also einerseits im Weltsinne sehr wirtschafts stark und dann gleichzeitig gibt es unglaublich arme Landstriche und diskriminierte Bevölkerungsgruppen, ökonomisch, rassistisch, sonst wie welcher Art und so dieser ach ich, ich glaube für mich ist das einfach ein Beispiel, an dem man ja studieren kann, wie Menschen sich sortieren, wie Menschen versuchen Gesellschaft zu bauen. Und ich sehe das als einen Fall. Ich hätte auch jedes andere Land wahrscheinlich nehmen können, aber es sind halt die USA geworden und das ist wahrscheinlich auch einfach so meinem beruflichen Werdegang oder meinem akademischen Lebenslauf geschuldet. Da spielen ganz viele Zufälle rein und dass ich Englisch kann, hilft wahrscheinlich auch.

FB: Ja, ich hatte mich auch noch, wo du schon sagst mit diesen vielen unterschiedlichen Gruppen. Da hatte ich vorhin noch überlegt, mit diesem Bild von dem Melting Pot, der bei uns in der Schule immer ganz viel im Englischunterricht vorkam, ob das auch eine Rolle spielt, weil das ja einfach so ganz, ganz elementar auch eine Einwanderungsgesellschaft ist.

AB: Ja, also um 1900 würde ich das noch so sehen, dass die Idee es also auch ernährungspolitisch ist, die Idee, dass man erst mal so was wie American Cuisine irgendwie schafft und das ist dann so der kleinste gemeinsame Nenner, also möglichst und das meine ich ernst weißes Essen, das ungewürzt ist. Also so bland tasteless food, das schon als kleines, aber gemeinsam kleinster gemeinsamer Nenner, den alle irgendwie okay finden können. Und das ändert sich. Aber niemand. Niemand. Genau das ist das Problem, würde ich sagen. Und genauso wie sich das wandelt, wandelt sich dann eben ja auch diese Metapher des melting pot hin zu Salad Bowl, Patchwork. Und heute gibt es glaube ich, ach, ich weiß gar nicht, was da immer Puzzle, Puzzlestücke und was es da alles für für Vorstellungen gibt. Also das wird schon sehr, sehr viel differenzierter und hin zu also von haben wir es auch von Diversität hin zu einer Gesellschaft, die eben ja viel heterogener ist. Und auch diese Heterogenität, Pluralität, wie man auch immer davon reden möchte, zulassen möchte, führt natürlich auch zu identity politics und hat einen ganzen Rattenschwanz von Probleme, die das Ganze mit sich führt. Aber diese Metaphern wandeln sich auf jeden Fall und damit ändert sich ja auch dieses Selbstbild von den USA als einer Nation.

FB: Was Julia noch gefragt hatte Was, was kann man aus deiner Forschung für heutige Migrationsprozesse mitnehmen? Also gibt es immer noch so Ernährungs Programme, die auch irgendwie mit Migration und Arbeit und so zu tun haben?

AB: Ja, also ich glaube, wenn ich wenn ich in die Jetztzeit gucken würde, würde ich mir natürlich so Kontexte angucken wie Arbeitsmigration und Landwirtschaft. Also das ist ja ein Gebiet, wo Menschen wirklich auch ausgebeutet werden. Das hatten wir ja hier in der Pandemie auch in Deutschland mit den Arbeitern für die Spargelernten zum Beispiel. Also wie Migration mit unseren ganz basalen ernährungs technischen Bedürfnissen zusammenhängt und was sie dafür dann das sind wir dann wieder in der Konsumgesellschaft oder in der Ökonomie, was sie dafür zurückbekommen und was wir bereit sind auszugeben. Ich würde mir so Sachen anschauen wie Überproduktion. Genau die ganzen, die ganzen Arbeitsbedingungen in Schlachthäusern, das haben wir ja schon seit den Sinclairs the Jungle als problematisch befunden. Aber auch da hatten wir in der Pandemie genügend Beispiele in Deutschland, wo eben Corona gerade in so Fabriken, Fleisch, Fabriken irgendwie ganz dramatisch war. Also solche solche Kontexte könnte ich mir dafür heute schon vorstellen, die, glaube ich, superspannend wären, sich anzuschauen.

FB: Ja, danke schön.

MM: Ja, Hallo. Guten Tag. Ich bin der Marco. Ich bin der Audio Mensch im Hintergrund. Und tatsächlich sind mir beim Podcast eben auch ein paar Fragen in den Sinn gekommen. Zum Beispiel Wie ist denn das mit so einer Kultur mit den USA, die jetzt für so was stehen wie Baked Beans Cheeseburger mit Double Beef und Chili obendrauf und keine Ahnung was allem wird sich Essens Kultur zum Beispiel wandeln? Ist die ständigem Wandel. Also klar, natürlich durch Werbung und so was irgendwelche Trends. Aber könnte es sein, dass die USA in 50 Jahren für die gesündeste Weltkultur der Welt stehen? Also jetzt mal so ganz fiktiv.

AB: Also ist eine spannende Frage. Vor allem, weil die USA ja nicht mit Hamburger angefangen haben, sondern das ist ja auch eine Entwicklung und das geht tatsächlich. Also das wäre so ein bisschen meine These, das geht aus diesen Ernährungsprogrammen hervor, die zunächst einmal eben nur auf Energiedichte aus waren. Und das ist, glaube ich, auch in der Bevölkerung angekommen. Also Kalorien zählen kennt jeder. Die Feinheiten von Spurenelementen, Vitaminen und wie der Körper funktioniert, wie das Mikrobiom funktioniert oder so was. Da sind wir ausgestiegen, würde ich sagen. Aber so ein bisschen die Idee, dass man Kalorien zählen kann oder soll, das das ist angekommen. Also so dieses Zahlenverhältnis, das haben wir übernommen aus, aus dieser Ernährungskultur. Und diese Hamburger und Baked Beans ist tatsächlich, also ich würde sagen, das war so das Essen der Lumberjacks, also der der Holzfäller, Fällarbeiter, das ist natürlich das Energie dichteste, schnellste, auch Fastfood. Und so weiter. Das heißt, wir haben dieses extrem haben wir vielleicht als American Cuisine angenommen, und das ist tatsächlich auch in die Welt exportiert worden.

MM: Ja, auch ein Kulturgut jetzt Barbecue zum Beispiel. Das amerikanische Barbecue ist ja Sinnbild für das amerikanische Essen schlechthin, obwohl das wahrscheinlich auch adaptiert ist. Ähnlich wie wir hatten es vorhin von den Italienern. Da haben die Amerikaner ja auch sehr viel wiederum übernommen und in ihre eigene Form gebracht. Die amerikanische Pizza wurde Italiener, sagt Oh, mein Gott, fass ich nicht an oder Macaroni and Cheese. Ein Graus für jeden Italiener, der die italienische Küche kennt. Aber da ist ja auch so ist das vielleicht auch ein Versuch gewesen, sozusagen. Also nicht nur etwas zu adaptieren und irgendwie eigen zu machen, sondern auch zu versuchen Ja, ich kann es jetzt gar nicht so genau wiedergeben, aber wir hatten es damit, dass sich die Asiaten vom Essen gar nicht so integriert oder integrieren würde. Werden wahrscheinlich allgemein gesprochen, die Italiener wiederum mehr dran.

AB: Da ändert sich dann was. Dann war es also nach diesem ersten Schritt, wo man erst mal versucht hat, so eine All American Cuisine zu definieren. Und das war die Metapher der, der des melting pot lässt man dann auch wieder mehr Vielfalt zu. Also so aus so einer vielleicht auch nationaleren selbst oder nationalen Selbstsicherheit heraus ist dann auch wieder möglich, dass man mehr zulässt. Und dann kommen diese ganzen Nischen Kulturen ändert sich natürlich auch die Ökonomie von Mass Consumerism hin zu Niche Marketing undsoweiter. Und auf einmal kann man eben all diese Sachen zulassen und kann eben auch ethnic roots feiern und eben auch ethnic food wird dann Food, also das, das, das, das verkauft sich gut, das wird gegessen. Ist vielleicht auch schmackhafter, als the bland unsalted, das ungewürzte Essen. Aber wieso das? Wieso das dann so fettig ist? Also die der eine Strang ist natürlich dieses Energiedichte, was lange als gut empfunden wurde, was sich aus irgendwelchen Gründen weiter verstetigt oder weiter so ist. Und das andere sind natürlich Subventionen und darüber hatten wir jetzt bisher tatsächlich noch nicht geredet, dass die USDA, also dieses US Agricultural Department, also mindestens zwei Hüte auf hat. Das eine ist zu versuchen, Food Security für die eigene Population aufrechtzuerhalten und vielleicht auch gesunde Ernährung. Also diese Ratgeberliteratur deutet ja genau darauf hinaus, dass auch das ein Anliegen ist. Und das andere ist aber natürlich, dass Farmer ihre Klienten sind, also Landwirte sind, deren Klienten. Das heißt, sie müssen natürlich auch eine Politik fahren, die den Landwirten zugutekommen. Und da gehen dann ganz viele Subventionen in verschiedene Produkte, so dass es heute zum Beispiel Check off Programs gibt, wo sich auch Fast Food Ketten bereichern kann oder Subventionen oder nicht Subventionen, aber Gelder bekommen, wenn sie bestimmte amerikanische Landwirtschaftsprodukte nehmen. Milch ist so ein ganz großes Ding. Also der Triple Cheeseburger ist natürlich auch so einem Check of program erwachsen, weil es dafür Gelder gibt. Und dann, je mehr Käse wir auf unseren Burger drauf tun können, umso besser in der Hinsicht.

MM: Ja, das ist ja auch wahnsinnig viel, da innerhalb wahrscheinlich von einem Jahrhundert passiert das auch von diesem, sagen wir mal Cowboy Bild mit den Baked Beans hin zum Holzfäller auch so was wie die amerikanische Pizza, Das kann ja nicht so alt sein. Wie alt wird so ein Gericht sein? 100 Jahre vielleicht?

AB: Genau. Und jetzt ganz, weil du vorhin gefragt hast, ob die die USA vielleicht irgendwann mal Vorreiter für gesunde Ernährung sein können. Also die neuesten Trends kommen ja auch oft aus den USA. Also während im Zweiten Weltkrieg galt die US Armee als best ernährteste Armee der Welt und wer dafür verantwortlich gezeichnet hat, war Anselm Kease, der die sogenannten K-Rations für die US Armee erfunden hat. Also auch da ging es um Energiedichte, um leicht zu transportieren. Energiedichte Nahrungsmittel. Da ist der Schokoladen Riegel hergekommen. Nach nach dem Krieg ist das also die. Die Soldaten haben das natürlich weiterhin gerne gegessen und die Firmen wollten das auch weiterhin verkaufen. Von daher haben wir jetzt Mars, Snickers, sonst wie was in unseren Regalen liegen. Aber Anselm Kease hat dann auch die ersten Studien herausgebracht, wo er eben hoch fettige Energiedichte, Produkte mit Herzinfarkten und anderen kardiovaskulären Krankheiten in Beziehung gesetzt hat. Da gibt es auch ganz kontroverse Diskussionen darüber, aber letztendlich hat er dann auch die ganze Diätkultur kommt ja auch daher, seine eigene Ernährungsweise proklamiert. Das war die sogenannte mediterranian diet, also die Idee, dass Olivenöl gesund ist, aber das ist so ein bisschen mediterran, daher ist vielleicht größer als das hat natürlich damit zu tun, dass man viel frisches Obst und Gemüse isst, aber eben auch Olivenöl, ein bisschen Fisch und so, das war dann das was, was er da als als Gegenprogramm dann auf einmal hochgefahren hat. Und also wenn man das weiterspinnt, natürlich Diät-Kulturen und heute auch die ganzen Programme, die sich damit beschäftigen, wie man auch wieder von diesem Nutritionism Weg kommt, also dass man Ernährung nur auf Zahlen reduziert, nur auf Ingredients. Also diese ganzen Nutrition Labels, was ist da drin und vielleicht auch wieder mitdenkt, was schmeckt denn gut, in welchen Verbindungen ist man? Macht es ein Unterschied, ob das organischer gestellt ist oder irgendwie in der Fabrik produziert worden ist? Welche welche Rolle spielt der Grad der Verarbeitung? Also all diese Sachen, die in diesem Nutrition Wissen in dieser Ernährungs Ratgeber Kultur vielleicht erst mal weggefallen sind, kommen ja jetzt verstärkt auch wieder in die Diskussion rein und von daher tut sich da schon was. Die Frage ist natürlich, also andere Länder tun das ja auch, aber ja und ob die USA da jetzt Vorreiter sein wird oder nicht, ist auch eine Frage. Aber dass diese Art von Forschung dort betrieben wird, dass es auch neue Gruppierungen gibt, die eben auch im Kongress auf einmal wieder gefragt werden und versuchen, mitarbeiten an diesen Ratgebern, also an diesen USDA Nutrition Guidelines. Das Decisions Committee for Responsible Medicine ist zum Beispiel so eine Gruppierung. Genau. Also das kann man schon beobachten.

FB: Ja, danke schön.

MM: Nächsten Monat ist bei uns wieder einmal ein Gast zu Gast Jürgen Streeck von der University of Austin, Texas, war im vergangenen Jahr Teil unserer Summer School in Mainz. Jürgen forscht seit mehreren Jahrzehnten zu Gestik und berichtet von seiner Forschung seit den 80er Jahren.

MM:

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