Vielheit/Vielfalt: Von Pluralismus, Demokratie, Mehr- und Minderheiten

Shownotes

Was sind eigentlich Vielfalt, Diversity oder auch Vielheit? Und seit wann sprechen wir überhaupt über gesellschaftliche Vielfalt? Und wie kann es sein, dass eine zahlenmäßige Mehrheit trotzdem manchmal als Minderheit gilt? Und was haben all diese Begriffe mit Demokratie und Freiheit zu tun?

In dieser Folge sprechen wir mit Till van Rahden, Historiker an der Université de Montréal und ehemaliger Mercatorfellow bei uns in Mainz über Vielheit, Demokratie und Antisemitismus. Die Demokratie gibt uns ein Recht auf Verschiedenheit, aber die individuelle Freiheit anders zu sein hat Grenzen – etwa da, wo sie die Freiheit anderer einschränkt. Damit sind Streit und Debatten darüber, wo die individuellen Freiheiten beginnen und enden, ein elementarer Teil einer pluralistischer Demokratie.

Übrigens: Im 19. Jahrhundert prägten jüdische Intellektuelle die Debatten rund um Pluralismus und Demokratie besonders. Wir sprechen daher auch über Verhältnis von Judentum und Christentum sowie über Antisemitismus.

Wenn ihr euch für das Thema interessiert, möchten wir euch besonders das Buch „Vielheit. Jüdische Geschichte und die Ambivalenzen des Universalismus )“ von Till van Rahden empfehlen.

Der SFB 1482 Humandifferenzierung ist an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und am Leibnizinstitut für europäische Geschichte angesiedelt. Finanziert wird er von der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Podcast Team: Host: Friederike Brinker Producer: Marco Mazur studentische Hilfskraft: Tamara Vitzthum

Alle Infos zu unserem SFB findet ihr auf unserer Website, Instagram, Threads oder Mastodon.

Kontaktieren könnt ihr uns natürlich auch per Mail: sfb1482.kommunikation@uni-mainz.de Foto: Stephanie Wetzel

Transkript anzeigen

00:00:00: Hallo, wir sind das Podcast Team Friederike Brinker,

00:00:03: Tamara Vitzthum,

00:00:04: und Marco Mazur.

00:00:06: Till van Rahden war als Mercator Fellow bei uns in Mainz ist aber eigentlich Historiker an der Université de Montréal und Autor des Buches Vielheit. Den Link dazu findet ihr in den Shownotes.

00:00:17: Wir reden über Vielfalt, Vielheit, gesellschaftlichen Pluralismus, mehr oder Minderheiten und darüber, was diese Begriffe in der Geschichte der Demokratie bedeuten. In der zweiten Hälfte des Podcasts geht es darum, warum gerade jüdische Intellektuelle für diese Geschichte so prägend waren.

00:00:36: Los geht es mit der Frage, wie Till van Rahden überhaupt zu seinem Interesse an diesen Themen gekommen ist.

00:00:43: Sone und Solche - Ein Podcast über Menschen und wie sie sich unterscheiden und wie die Kulturwissenschaften dazu forschen. Mit dem Sonderforschungsbereich Humandifferenzierung.

00:01:03: Mein Interesse daran geht ja viel weiter zurück. Ich habe mich mit solchen Fragen schon beschäftigt, als ich noch in Deutschland studiert habe. Und dann habe ich in den USA studiert und das war eine sehr prägende Zeit für mich und eben auch eine Auseinandersetzung mit Geschichtsschreibung zum und mit der Geschichtsschreibung zum amerikanischen Antisemitismus, aber auch zur Geschichte des amerikanischen Judentums und zur politischen Tradition dessen, was wir kulturellen Pluralismus oder Multikulturalismus nennen können. Und und diese Fragen habe ich dann gleichsam zunächst einmal wieder mit zurück nach Deutschland genommen und habe sie dann auch 2006 mit nach Kanada genommen. Und Kanada ist ist ein ein Umfeld, in dem die Debatten von kultureller Verschiedenheit in ganz unterschiedlicher Ausprägung für das politische Leben zentral sind und viel zentraler als für die Deutschen, für die deutsche Öffentlichkeit.

00:02:12: Das heißt dadurch, dass die Gesellschaft da einfach noch viel diverser ist oder?

00:02:16: Das ist eine andere Frage. Also das wäre dann ja auch die Frage wie, wie messen wir Diversität einer Gesellschaft? Aber wenn man jetzt zum Beispiel sagt, wie viel Prozent der Bevölkerung in großen Städten hat Migrationshintergrund, dann ist die Situation in den meisten deutschen Städten gar nicht so unterschiedlich zu der Situation in den kanadischen Großstädten. Aber die die Frage, welche Bedeutung die damit verbundenen Herausforderungen im positiven wie im negativen Sinne haben, ist für für das kanadische Selbstverständnis eben viel größer und auch für das amerikanische Selbstverständnis viel größer. Also die was, was mich eben sehr, sehr stark geprägt hat, war das, dass ich mit der Geschichtsschreibung zur amerikanischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts eine Geschichtsschreibung vor mir hatte, in der die Frage von Verschiedenheit, von Migration fundamental ist, also die, die das Selbstverständnis ist eben ganz stark. Es ist eine. Die amerikanische Geschichte ist immer schon eine Geschichte von Zuwanderung, und das gilt dann auch für die kanadische Geschichte und wenn es eine Geschichte von Zuwanderung ist, dann ist es eben immer auch schon eine Geschichte von Auseinandersetzungen über kulturelle Vielheit und Verschiedenheit der Kultur.

00:03:45: Ich würde gerne mal zu dem Begriff Vielfalt, den du gerade gesagt hast, übergehen. Das ist ja ein Begriff, der heute nicht mehr besonders häufig verwendet wird, der aber ja auch der Titel von deinem Buch ist. Warum hast du dich genau für diesen Begriff entschieden und was genau bedeutet er in Abgrenzung zum Beispiel von Vielfalt, was ja auch ein Begriff ist, der häufig benutzt wird heute.

00:04:07: also in den gegenwärtigen Debatten, ist ja der gerade auch in wissenschaftlichen Debatten ist ja zunächst einmal ein Begriff wie Diversität oder auch Diversity viel einflussreicher und viel häufiger verwendet. Das heißt allein schon, wenn man sagt Ich rede aber über Vielfalt, deutet man an, dass man einen Begriff verwenden möchte, der historisch eine etwas größere Tiefendimension hat.

00:04:33: Okay.

00:04:34: So. Insofern könnte man meine Überlegungen immer auch auf Debatten über Diversity beziehen. Aber der erste Punkt ist eben zu sagen also vor schon, also allein vor 1990 oder vielleicht sogar den 2000 Jahren wäre das unverständlich gewesen, im Deutschen von Diversity zu sprechen. Und Bekannte, also so Schlagworte wie Diversity, Management oder so, sind ja relativ neuen Datums. Also allein schon von Vielfalt zu sprechen ist, ist eine Einladung, eine eine längere Vorgeschichte solcher Debatten in den Blick zu nehmen. So, und jetzt ist etwas auffällig, nämlich im 18 und 19 Jahrhundert spielt der Begriff der Vielfalt, soweit man das anhand von Wörterbüchern oder Lexika, Enzyklopädien aller Art rekonstruieren kann, in politischen Auseinandersetzungen so gut wie keine keine Rolle. Und dann stellt man sich die Frage Moment mal, wie kann das sein, dass solch ein Begriff erst um 1910, 1920 wichtiger wird? Und vor allem, wenn er vor dieser Zeit keine große Rolle spielt, welcher andere Begriff stand eigentlich im Zentrum? Und es sind zwei Begriffe, die man in den in den gleichen Quellen, also Wörterbücher, Enzyklopädien, Lexika findet. Der eine Begriff ist Mannigfaltigkeit, und der andere Begriff, der deutlich häufiger verwendet wird und ausführlicher diskutiert wird, ist Vielheit und jetzt gab es für mich erstens einen empirischen Befund, Es gibt einen älteren Begriff, der heute so gut wie vergessen ist. Aber das zweite war, dass in diesem Begriff der Vielheit etwas angelegt ist, was mir wichtig war, nämlich das ist der symmetrische Gegenbegriff zu Einheit, ist ja der symmetrische Gegenbegriff zu Vielfalt wäre ja Einfalt. Und dann können wir sagen, das hat auch einen gewissen Charme. Also sozusagen, wer will denn schon einfältig leben oder einfältig sein? Aber ich glaube, für die politische Frage nach der Art und Weise, wie wir zusammenleben, ist dieses Spannungsverhältnis zwischen Vielheit und Einheit als symmetrisches Spannungsverhältnis dann sinnvoller gedacht. So und man könnte jetzt noch mal überlegen, welche Welche Bedeutung hat der Begriff der Vielheit ausdrücklich im frühen Formen der liberalen Demokratietheorie. Aber das ist etwas, was sozusagen erst später, dann auch als Interesse bei mir dazu gekommen ist.

00:07:23: Und was ist der Vorteil von einer gesellschaftlichen Vielheit jetzt? Denn im Gegensatz zu dieser Einheit? Oder gibt es da ich?

00:07:33: Ich glaube, ich glaube nicht, dass das ist eine Frage von Vor- oder Nachteil ist, sondern es ist einfach nur ein empirischer Befund. Was den empirischen Befund der Einheit angeht, wir wollen eine in bestimmten Schlüsselbereichen einheitliche Rechtsordnung. Es kann nicht ein Strafrecht für die einen und ein Straf- ein anderes Strafrecht für die anderen geben. Eine Geschwindigkeitsüberschreitung sollte für alle, die einheitlich geregelt sein. Und gleichzeitig ist es ebenso, die, die die liberale Demokratie zumindest wie sie sich im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts so langsam entwickelt, ist ja eine Vorstellung von bürgerlichem Zusammenleben, in dem der Begriff und die Idee der Freiheit zentral ist. Das ist ein Angebot an alle, und das ist die Pointe die Freiheit. Es ist die Freiheit aller und nicht die Freiheit, weniger. Freiheit ist kein Privileg mehr für Eliten, welcher Art auch immer. Sondern Freiheit ist als Ideal zunächst einmal ein Angebot an alle. Und wenn ich frei bin, bin ich auch frei, mich von anderen zu unterscheiden. Frei an meinen Gott zu glauben. Frei an meine Moral zu glauben. Frei an meine Vorstellung von guten Leben zu glauben und selbstverständlich entsteht dann aus dem Zusammenspiel von unendlich vielen Freiheitsideen von Bürgerinnen und Bürgern eine Vielheit von Freiheitsvorstellungen, Gleichheitsvorstellungen undsoweiter. Und das finde ich reizvoll an dem Begriff der der Vielheit, dass das der Begriff selber, diese Widersprüchlichkeit und den Streit über alle diese Fragen schon immer, immer schon enthält.

00:09:44: Genau, einfach diese Vielfalt an verschiedenen Lebensentwürfen, die quasi nebeneinander gleichberechtigt entstehen. Dieser Gedanke war einfach quasi neu in dieser Zeit des 18., 19. Jahrhunderts?

00:09:54: Na ja, der vor allem der Gedanke, dass es eben, dass alle ein Recht auf diese Freiheit haben.

00:10:04: Quasi nicht nur die Adligen.

00:10:05: Alle ein Recht auf Verschiedenheit haben, alle ein recht haben, ohne Angst verschieden zu sein und dass das eben nicht mehr ein Privileg ist.

00:10:13: Ja, das ist eine schöne Entwicklung. Genau da, wo dann diese verschiedenen Freiheitsentwürfe oder Lebensentwürfe, Religionen und was auch alles aufeinander stößt, kann es doch aber auch zu Streit führen, oder? Weil wenn dann ich mich in meiner Freiheit eingegrenzt fühle durch deine Freiheit.

00:10:39: Ja, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Und die erste aber auch das ist eine, also in Anführungszeichen traditionelle liberale Denkfigur, die ich aber wichtig finde in dem Zusammenhang ist, dass die Grenze meiner individuellen Freiheit oder deiner individuellen Freiheit da beginnt, wo du oder ich jeweils einer anderen Person Schaden zufüge. Es ist sozusagen das Harm Principle bei John Stuart Mill, das heißt bezogen auf, sagen wir mal, Religions- oder Glaubensfreiheit. Ich bin frei, an den Gott zu glauben, an den ich glaube. Aber wenn der also es jetzt sehr pointiert, also wenn der Gott von mir verlangt, dass ich irgendwie Menschenopfer bringe und anderen Menschen damit schadet, dann ist das. Dann entsteht ein Konflikt. Ja, und das heißt Freiheitsrechte sind? Es sind nicht Rechte, quasi völlig rücksichtslos, seine je eigenen Bedürfnisse, Interessen oder Leidenschaften auszuleben, sondern es ist ein Wechselspiel von, von von im bürgerlichen Zusammenleben. Das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt ist selbstverständlich ist es so, dass in dem Moment, wo wir einmal anfangen, darüber zu reden, was wir eigentlich mit Freiheit meinen und wo möglicherweise die Grenzen individueller Freiheit sind, was wir mit Gleichheit meinen und wo möglicherweise die Grenzen der Gleichheit sind. In dem Moment begeben wir uns sofort in Debatten hinein, in der, in denen es keine stillschweigende Übereinkunft geben kann, sondern in der immer sofort Konflikte, Streit, Zwietracht angelegt sind. Und deshalb ist es ist sozusagen der Pluralismus in einer liberalen Demokratie, im Zentrum dessen, was das Angebot einer liberalen Demokratie ist. Das Angebot einer liberalen Demokratie kann es nie sein, zu sagen: Wir finden uns irgendwie zusammen und haben ein harmonisches Verständnis von gesellschaftlichem Zusammenleben und Freiheit und Gleichheit etc., sondern das Verständnis und das große Angebot ist Wir streiten uns darüber, weil der Streit unvermeidbar ist, weil jedes Einschränken dieses Streits bedeuten würde, dass wir bürgerliche Freiheitsrechte einschränken. Aber wir verständigen uns darüber, wie es uns gelingt, diesen Streit auszuhalten. Wir können den Streit nicht beenden. Wir können ihn nicht auflösen. Das Einzige, was wir können, ist in auszuhalten. Und das führt dann immer zu Kompromissen, mit denen idealerweise niemand so ganz zufrieden ist.

00:13:39: Wie das mit Kompromissen so ist. Das heißt, da kommen dann auch die Begriffe Mehr- und Minderheit mit rein?

00:13:48: Die spielen auf jeden Fall für die, für die Art und Weise, wie wir heute über kulturelle, religiöse, ethnische Verschiedenheit nachdenken, eine zentrale Rolle. Egal über welche, welchen Konflikt wir reden, egal ob wir über Zuwanderung reden, über Religionsfreiheit, auch über über die Frage der Gleichberechtigung von Männern und Frauen, die die Frage von von einer Vielheit von sexuellen Orientierungen und Gleichberechtigung von Menschen mit ganz unterschiedlichen sexuellen Orientierung. Sofort kommt die Frage ins Spiel Wer ist eigentlich die Mehrheit und wer sind die Minderheiten? Ja, das ist ja zunächst einmal einfach nur eine Beobachtung. Und das, was mich frappiert hat, war, als ich versuchte zu verstehen Wo kommt eigentlich dieses Begriffspaar her? Sind mir zwei Sachen aufgefallen. Das eine ist vor dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Zusammenbruch von insgesamt vier multiethnischen multinationalen Imperien in Europa spielt dieses dieses Gegensatzpaar in den Auseinandersetzungen über kulturelle, religiöse Verschiedenheit und Vielheit keine Rolle. Ja, so, das heißt so ein Begriff wie nationale Minderheit oder die jüdische Minderheit oder die polnische Minderheit oder oder welche Minderheit auch immer. Die findet man in Texten des 18. und 19. Jahrhunderts nicht. Seit dem Ende des Ersten Weltkriegs, seit den Friedensverträgen von Paris, in denen man versucht hat, dieses neue Gebilde von von vermeintlich homogenen Nationalstaaten dadurch zu ordnen, dass man eben auch ein System des Minderheitenschutzes und ein System von Minderheitenrechten etabliert und diese Begriffe auch zentral werden für politische und rechtliche Auseinandersetzungen. Seitdem ist das quasi der selbstverständliche Rahmen. Und das hat mich fasziniert und, äh, und obwohl, das ist ja zunächst einmal einfach nur ein empirischer Befund. Also wann beginnen wir eigentlich, auf solche Begriffe zurückzugreifen? Das ist der eine Punkt, und der andere Punkt ist, dass in dieses Begriffspaar, das ich um 1919 als selbstverständlicher Bezugsrahmen für solche Debatten durchsetzt, gehen mehrere intellektuelle Traditionen ein, in denen, die in den Begriffen enthalten sind, also Mehrheit und Minderheit, majority minority, majorité, minorité. Da ist zunächst einmal die Frage des Alters. Minderjährig ist das, was im Deutschen davon noch erhalten ist und der Minderjährige oder die Minderjährige sind natürlich auch immer irgendwie noch nicht so richtig reif und müssen sich noch entwickeln. Das ist der erste und der zweite Punkt ist, dass es das ist im Deutschen im Begriff des Minderwertigen noch angelegt, also minorité, minority. Minderheit ist immer auch das Minderwertige gewesen. Und das geht natürlich einher auch mit Vorstellungen von Minderjährigkeit. Minderwertig. Und der dritte Kontext ist dann die Frage von mehr einer Mehrheit und einer Minderheit in einem parlamentarisch Kontext. Und das setzt sich im 18 Jahrhundert durch. Und da ist dann die Frage, das ist dann auch schon eine rechtliche Frage. Gibt es Sonderrechte einer parlamentarischen Minderheit, die im Alltag der politischen Auseinandersetzung im Parlament selbst garantiert sein müssen? Das gibt es bis heute. Und aber, aber sozusagen in diesen selbstverständlichen Bezugsrahmen von einer Mehrheit und mehreren kulturellen, religiösen, ethnischen Minderheiten, sexuellen Minderheiten gehen eben viele dieser Annahmen mit ein.

00:18:00: Gibt es dann eigentlich auch Bestrebungen, den Begriff Minderheit irgendwie abzulösen. Weil so, so perfekt scheint er dann ja eigentlich gar nicht zu sein.

00:18:08: Na ja, es gibt eben bestimmte Bereiche, in denen fällt sofort auf, dass das, dass da irgendwas, ich will mal sagen bemerkenswert ist. Also die Minderheitenforschung der 70er und 80er Jahre etabliert sich auch durch Zeitschriften. Und dann gibt es Zeitschriften, in denen es im Titel dann Minderheiten und Frauen. Und was ja sofort auffällig ist, also eine zahlenmäßige Minderheit sind Frauen nicht im Gegensatz zu Männern. So oder eine anderer Kontext ist die Frühgeschichte des Apartheidsregime in Südafrika ja, und in diesem, in diesem, äh, in der Logik der Apartheid war die Idee die Weißen sind die Mehrheit.

00:19:04: Dabei waren sie zahlenmäßig ja die Minderheit.

00:19:05: Dabei waren sie zahlenmäßig eben eine numerische Minderheit, im Gegensatz zu denen man, wenn man sozusagen alle die Gruppen in den Blick nehmen würde, die aus der Perspektive der weißen Mehrheit im Apartheid Südafrika als Minderheiten galten. So, das heißt, es wird sehr früh deutlich, dass da irgendwie. Da sind Machtverhältnisse im Spiel, die über dieses Begriffspaar verdeckt werden. Und erst wenn wir, wenn wir uns klar machen, welche in Anführungszeichen fragwürdigen Annahmen in das Begriffspaar eingehen, können wir überhaupt beginnen, über diese Machtverhältnisse zu diskutieren.

00:19:54: Ich würde gern auch noch übergehen zum zu dinem anderen Schwerpunkt, dem Judentum. Das Judentum ist ja nicht nur eine Minderheit unter vielen, sozusagen, sondern war auch prägend in dieser, in diesen Debatten. So wie ich dann erstes Kapitel, das ich gelesen habe. Ich habe es ja nicht allzu weit geschafft aus Zeitgründen. Natürlich ist ein sehr gutes Buch. Und welche, welche Rolle hatte das Judentum in diesen Debatten?

00:20:23: Also fast alle europäischen Staaten sehen sich als christliche Staaten als und und sozusagen. Das hat dann tiefe Wurzeln im mittelalterlichen Vorstellungen von Christentum und das wird dann in unterschiedlichen entstehenden Nationalstaaten unterschiedlich gedeutet. Aber es gibt eigentlich in keinem Nationalstaat Zweifel daran, dass das Gemeinwesen zunächst einmal ein christliches ist und in einem christlichen Gemeinwesen sind natürlich alle nichtchristlichen Gruppen zunächst einmal irgendwie randständig und und auch eine Irritation. Und das Besondere an der Irritation, die von den jüdischen Gemeinden ausgeht, ist, dass das Christentum als Religion im Grunde genommen eine Tochterreligion des Judentums ist. Das heißt, das Christentum muss sich theologisch immer in der Absetzung vom Judentum legitimieren. So und das ist zunächst einmal eine ganz einfache theologische Konstellation, die aber vieles prägt und viele Konflikte prägt und und die dann auch im Kontext der Auseinandersetzungen während der Aufklärung und der Auseinandersetzung über ein aufgeklärtes Christentum und eine aufgeklärte Religion eine wichtige Rolle spielen. Das heißt, die jüdischen Gemeinden sind nicht einfach nur irgendwie andere, sondern wenn man das so pointiert formulieren will, das andere in den christlich geprägten Gesellschaften. So, das ist der eine oder andere Punkt, ist das im Zuge der Auseinandersetzung über die Emanzipation der Juden und im Zuge auch der tatsächlichen Veränderung der europäischen Gesellschaften werden Juden zu sehr ernst zu nehmenden Gesprächspartnern in den allgemeinen Auseinandersetzungen über Vielheit, Gleichheit, Verschiedenheit. Und so weiter. Das heißt, es gibt nicht einfach nur eine jüdische Aufklärung, sondern viele der jüdischen Aufklärer setzen sich intensiv mit der Frage auseinander Wie kann man ein Gemeinwesen begründen, in dem alle Bürgerinnen und Bürger die gleichen Rechte haben und auch eben damit ein recht haben, verschieden zu sein? Und diese Konstellation geht, zieht sich dann vom späten 18. Jahrhundert eigentlich bis in die 1920er Jahre hinein und bricht dann erst mit 1933 und der Verfolgung und der Ermordung des europäischen Judentums ab.

00:23:33: Wie kam es eigentlich, dass doch eigentlich so eine doch relativ kleine Gruppe, wie die die jüdische Bevölkerung so einen großen Einfluss auf diese Debatten in der der Aufklärung hatten, also da überdurchschnittlich viele Leute als Philosophen oder Wissenschaftler tätig, oder wie kommt es dazu?

00:23:54: TvR:Also für die Aufklärung muss man das auch, muss man das erst mal einschränken, weil in der Zeit der Aufklärung ist die Zahl der jüdischen Aufklärer, die wirklich ernst genommen werden, als Gesprächspartner noch relativ gering. Und dass es wirklich eine eine große Zahl von jüdischen Intellektuellen gibt, die öffentliche Debatten gerade auch über über Fragen von Vielheit, Verschiedenheit entscheidend prägen. Das bildet sich erst in den 1830er, 40er Jahren heraus. Und woran das liegt, ist es, ist es schwierig zu erklären. Aber eine Erklärung ist mit Sicherheit erst mal ganz banal, nämlich dass jüdische Aufklärer und dann später jüdische Intellektuelle und damit vor Denker von verschiedenen Formen des Pluralismus natürlich ein ganz eigenes Interesse daran haben, dass es ein pluralistisches Verständnis von Gleichheit und Freiheit, das machtvoll sein und Zusammenleben gibt. Das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt ist, dass die, die also jetzt ein bisschen platt, aber ich mach's trotzdem und versuchts es ganz einfach zu machen. Also wenn man sich die Alphabetisierungsrate europäischer Bevölkerung um 1800 angeht anschaut, dann gilt für die - das variiert natürlich von Land zu Land, aber grob - für die christliche Bevölkerung findet man Alphabetisierungsrate von 10 bis 15 %. Wenn man sich die jüdische Bevölkerung anguckt 90 % aller jüdischen Männer konnten lesen und schreiben und weit über 50 % aller jüdischen Frauen lesen und schreiben. Kommentieren von Texten. Die Frage, wie man auf einem Argument, auf ein Argument mit einem Gegenargument begegnet, ist natürlich eine elementare Kulturtechnik der politischen Auseinandersetzung in einer liberalen Gesellschaft. Das heißt also die, die die Pamphletliteratur, die Flut an Artikeln, die seit 1830, 1840, 1850 einerseits für die Emanzipation der Juden eintreten, aber natürlich immer auch ein Gesellschaftsmodell dabei entfalten, damit klar ist, es geht hier nicht um sozusagen egoistische Partikularinteressen, sondern es geht darum, Partikularität als ein universelles Prinzip, das Recht auf Verschiedenheit, als ein allgemeines Prinzip zu begründen. Und diese Flut von von Artikeln aus der aus der Feder von von jüdischen Intellektuellen, die die teilweise Juristen sind, teilweise Journalisten sind, die, die teilweise zum Christentum konvertiert waren. Also Heinrich Heine ist zum Protestantismus konvertiert und ist trotzdem einer der eloquenten, interessantesten, wortgewaltigsten Fürsprecher der Emanzipation der Juden. Und all das ist Teil dieser dieser Geschichte.

00:27:16: Spannend. Wie kommt es eigentlich dazu, dass gerade der Antisemitismus in Deutschland so stark geworden, dass gerade diese Minderheit so stark verfolgt wurde?

00:27:26: Also das ist nicht im Zentrum meines Forschungsinteresse. Ich versuch aber trotzdem eine Antwort. Ja, und die Antwort ist zunächst einmal eine Beobachtung, die nicht von mir ist, sondern von einem von mir sehr bewunderten amerikanischen Historiker George Mosse, der mal gesagt hat, wenn man um 1895 1900 gefragt hätte also wo ist eigentlich das größte Potenzial für massenhafte antisemitische Gewalt? Dann hätte man auf Russland, also das russische, zaristische Russland, getippt. Und angesichts der Dreyfus Affäre und der gewalttätigen Auseinandersetzungen im Kontext der Dreyfus Affäre auf Frankreich vielleicht noch, aber nicht auf Deutschland. Das heißt die die Frage Was, Was passiert eigentlich zwischen 1900 und 1933, dass sich ein so mörderischer, rücksichtsloser Antisemitismus herausbilden kann, ist. Dann wäre dann für mich die entscheidende Frag und ich glaube, dass das zwei, zwei Dinge eine entscheidende Rolle spielen. Das eine ist eine also die auch da ist nichts Besonderes Deutsches dran. Der Antisemitismus ist eher etwas, was von konservativer, oder wir würden dann heute sagen rechter Seite des politischen Spektrums ausgeht. Fantasien von einer Rückkehr zum christlichen Staat findet man eben in der Sozialdemokratie oder in den linksliberalen Parteien eher nicht so, das heißt, das eine ist, es ist eine Stärkung dieser konservativ bis rechtsextremen politischen Tradition, die auch damit einhergeht, dass im Grunde genommen fast alle konservativen oder rechten Parteien die Demokratie und vor allem die liberale Demokratie bekämpfen, aktiv bekämpfen. Das große Wunder der Zeit nach 1945 ist dann, dass es plötzlich konservative Parteien gibt, die sich für die parlamentarische Demokratie und eigentlich auch für die liberale Demokratie einsetzen. So also die ganze europäische Rechte bekämpft das, was sie die Ideen von 1789 nennt. Gemeint ist die Französische Revolution. Aber mit der Französischen Revolution geht eben immer auch das Versprechen universeller Gleichheit, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Und das ist sozusagen das Feindbild. Und zum Symbol dieses Feindbildes macht man dann diejenigen, die aus verschiedenen Gründen besonders auf eine besonders eloquente Art und Weise sich für diese politische Tradition eingesetzt haben. Ja, aber das ist es ist quasi nur nur ein Angebot und es erklärt eben, es erklärt noch in keiner Weise, warum der der Antisemitismus nicht einfach nur in antisemitische Gewalt umschlägt, sondern in einen. Also der Fachbegriff ist dann eliminatorischen Antisemitismus. Das heißt konkret Es geht nicht nur einfach darum, dass es ein Völkermord wird, sondern, dass das Projekt des Völkermordes einhergeht mit der Vorstellung, man müsse die Menschheit insgesamt vom Judentum erlösen. Man muss quasi den den letzten Juden in Anführungszeichen auf der kleinsten Insel in der Ägäis oder dem kleinsten Bergdorf in den Pyrenäen oder aus Tromsö in Nordnorwegen finden, nach Auschwitz deportiert und ermorden. Und das ist noch etwas anderes als quasi der, der der Kampf gegen die Ideen von 1789, also die, die sozusagen die exzessive Gewaltgeschichte, völlig, die völlig entgrenzte Gewaltgeschichte. Das ist etwas, was man noch mal getrennt davon versuchen müsste zu verstehen.

00:31:59: Das ist, ich weiß auch nicht, ob man so was überhaupt erklären kann. Im Endeffekt.

00:32:04: Also, na ja, also die, die es braucht, quasi etwas Unverständliches und auch Erschütterndes und und. Aber gleichzeitig sind wir natürlich gefordert, uns mit mit diesen Fragen auseinanderzusetzen und zu gucken, welche Argumente können wir anbieten, um etwas plausibel machen zu können, auch wenn es etwas gibt, was dann unverständlich bleibt. Das ist ein ein Punkt, aber das ist nicht im Kern meiner, meiner Forschung, sondern die. Die andere Frage ist eben auch die mich eben umtreibt, ist: Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden führt eben auch dazu, dass bestimmte politische Denktraditionen, die sich aus dem 18. Jahrhundert heraus entwickelt haben, im 19. Jahrhundert sich weiterentwickelt haben und dann in den 20er Jahren in eine pluralistische Demokratietheorie der Zeit eingegangen sind, die wir mit Namen verbinden wie Hans Kelsen oder Hermann Heller. Dass diese Art von pluralistischer Demokratietheorie, die man eben auch teilweise zumindest als eine Form der jüdischen Politik, Tradition oder des jüdischen Nachdenkens über Politik begreifen kann, dass das Nachdenken über kulturelle Pluralismus, dass das etwas ist, was dann insbesondere im deutschsprachigen Europa mit 1933 abbricht und es unglaublich schwer ist, an diese Tradition wieder anzuknüpfen. Und ich bin aber gleichzeitig davon überzeugt, dass viele der wie soll ich das formulieren sozusagen nicht enden wollenden Schlaufen gerade der deutschen Debatten über Multikulturalismus, Anerkennung von Differenz, Leben mit Verschiedenheit, dass diese Schlafen darunter leiden, dass wir vergessen haben, dass es diese politische Traditionslinie gibt und dass es sich lohnen könnte, daran anzuknüpfen.

00:34:17: Ja.

00:34:21: Fragen aus dem Publikum

00:34:24: Unsere studentische Hilfskraft wollte gerne noch wissen, was man aus den Diskursen der vergangenen Zeit das passt, glaube ich, ganz gut zu was du zuletzt gesagt hast, auch für die heutigen Debatten lernen kann.

00:34:43: Also ich glaube, dass es wenig sinnvoll ist, sich eine Debatte der 1860er Jahre über das Recht von jüdischen Gemeinden auf eine gewisse Form von Autonomie, dass man sich die anschauen kann und dann sagt wir, das müssen wir jetzt genauso heute machen. Aber ich glaube, dass es darum auch gar nicht geht. Ich glaube, der erste Punkt dieses Rückblicks hat damit zu tun, dass jede Auseinandersetzung mit einer vergangenen Zeit immer auch so etwas ist wie eine Reise in ein fremdes Land. Und wir stolpern dann über Dinge, die uns irritieren, die uns überraschen. Und dann denken wir Oh, ich hatte mir nicht vorstellen können, dass man das so machen kann. So, und das heißt, das wäre für mich der erste Punkt. Es geht gar nicht darum, irgendwie jetzt konkret zu sagen Beim Kopftuchstreit haben wir in den Debatten der Was weiß ich können wir bei Moses Mendelssohn in Jerusalem von 1783 lernen, wie man mit dem Kopftuchstreit umgeht. Das glaube ich nicht. Aber was man dort lernen kann, ist, dass wir uns von den normativen Gewissheiten und damit eben auch den ideologischen Verhärtungen unserer eigenen Gegenwart entfernen und einen Moment zurücktreten und sagen Hm, also das ist ja interessant. Also Moses Mendelssohn macht das Argument, dass Kirche und Staat systematisch getrennt sein dürfen, dass der Staat das Recht hat, äußerliche Handlungen zu erzwingen, Stichwort Geschwindigkeitsbegrenzung. Aber dass der Staat bei den kirchlichen Dingen keine Zwangsrechte haben soll. Also was heißt das jetzt konkret? Das kann man dann in Ruhe diskutieren. Beziehungsweise meinetwegen auch gerne mit großen Leidenschaften. Und dann wird man je nach Situation sich auf eine auf einen Kompromiss verständigen. Und insofern glaube ich die große, das große, wenn man so will Angebot, das in dieser historischen Bildung und Auseinandersetzung mit vergangenen Epochen und vergangenen Debatten besteht, darin liegt, dass wir uns quasi uns klarmachen, dass die Art und Weise, wie wir über eine Frage nachdenken, wie wir versuchen, auf ein Problem zu reagieren, wie wir versuchen, eine Lösung zu finden, ja auch nur Teil eines viel, einer langen Tradition des Nachdenkens über solche Fragen ist und dass es aus der Perspektive von 2070 oder so unserer heutigen Debatten ebenfalls irgendwie einfach nur irgendwie als wie soll ich das sagen fremd und merkwürdig erscheint. Es ist wie so eine Art künstliche Verfremdung unserer eigenen Gegenwart. Und damit eröffnet sich plötzlich eröffnen sich plötzlich andere Handlungsspielräume und sind plötzlich wieder andere Antworten möglich, wo wir dann sagen können Na ja, gut, also natürlich bleibt die Frage von Vielsprachigkeit in Schulen ganz wichtig. Aber vielleicht können wir dann einfach sagen Na gut, also es muss nicht überall so sein, aber in bestimmten Gebieten macht es eben Sinn das eine Schule zweisprachig ist. Und natürlich macht es dann Sinn in bestimmten äh großen Städten sich zu überlegen, ob in bestimmten Kontexten Türkisch nicht auch eine Unterrichtssprache sein kann. Also nicht für alle Ewigkeit, aber für 20, 30 Jahre vielleicht. Ich will jetzt überhaupt keine konkreten Lösungsversuche machen. Darum geht es mir überhaupt nicht. Ich will einfach nur darauf hinweisen, dass in dieser, in diesen Debatten der Vergangenheit und in den Angeboten, die in den Argumenten aufgehoben sind, ein also, wenn man so will, ein großer Erfahrungsschatz steckt, bei dem es sich lohnt, damit auseinanderzusetzen. Also wenn ich es pointieren möchte, würde ich immer sagen ich bin bin überhaupt nicht. Mir liegt überhaupt nicht gar nichts, das ist vielleicht das falsche Wort, aber mir liegt eigentlich wenig daran, dass meine Interpretation überzeugt. Wofür ich vor allen Dingen werben will, ist ein neugieriges Lesen und eine Neugier der Auseinandersetzung mit diesen politischen Denktraditionen, die ich versucht habe, in meinem Buch zu analysieren.

00:39:29: Ja. Gibt es Parallelen zwischen anderen geschichtlichen und gesellschaftlichen Phänomenen, also in akademischen oder historischen Entwicklungen?

00:39:41: Was, was, was heißt Parallelen? Also ich meine die, die, also die, wenn man, wenn man eine Möglichkeit, die Epoche zu bündeln oder unter einen Begriff zu bringen, dann ist das die Epoche der Emanzipation. Und die Epoche der Emanzipation ist nicht einfach nur Teil der jüdischen Geschichte, sondern es gibt eben viele andere Emanzipationsprozess. Also es ist die Frage, wie verhält. Wie verhält es sich mit der Stellung von Frauen in der bürgerlichen Gesellschaft? Welche politischen Teilhabe Rechte haben Frauen? Das heißt, es gibt nicht nur einen Kampf, einen jüdischen Kampf für die Gleichberechtigung, sondern es gibt praktisch parallel auch einen feministischen Kampf für die Gleichberechtigung. Das gleiche gilt natürlich für die Frage der Sklaverei und der Leibeigenschaft. Ja, die, die, dass das 19. Jahrhundert ist auch eine Zeit, nicht nur der Kämpfe gegen die Sklaverei an sich, sondern es ist auch eine Zeit des Kampfes von Sklaven für gleiche Partizipation und Rechte. Und die Frage ist dann Kann man, kann man, kann man diese Geschichten miteinander verschränken? Ich gebe ein Beispiel um um zu zeigen, was ich damit meine. Der wichtigste jüdische Abgeordnete in der Frankfurter Nationalversammlung, Gabriel Riesser, der die Große Rede hält, mit der er für die sofortige Gleichberechtigung der Juden wirbt, unter unfassbaren Beifall des Parlaments, so dass die Verfassung der Paulskirche dann eine der ersten europäischen Verfassung ist, die eine vollständige Gleichberechtigung aller Religionen postuliert. Gabriele Riesser ist, Als dann die Revolution scheitert und der preußische König alle diese, also die rechtliche Gleichberechtigung, wieder einschränkt und zurücknimmt, fährt er in die USA ein paar Jahre später, weil er die weltgrößte Demokratie sehen will.Weil er sehen will wie funktioniert das eigentlich Universelle Gleichheit? Gabriel Rosa kommt in Washington an, steht vor dem Capitol und direkt neben dem Capitol ist ein Sklavenmarkt. Das heißt, Gabriel Riesser schreibt dann nicht mehr, wie großartig die amerikanische Demokratie ist, sondern er will dann nur noch wissen Wie kann es sein, dass die größte Demokratie der Welt mit dem größten Gleichheitsversprechen der Welt gleichzeitig existiert mit der Sklaverei und dem Instrument der Sklaverei also gleichsam seine eigenen Grundsätze in einer fundamentalen Weise verletzt? Insofern glaube ich, dass das ist, dass diese Frage nach der Parallelität von Emanzipationsgeschichte eine ungemein fruchtbare und produktive ist und gleichzeitig ist es aber eben wichtig, sich dann nicht nur einfach diese, diese, diese, diese einzelnen Emanzipationsforderung und Emanzipationskämpfe gleichsam isoliert zu betrachten, sondern sich zu fragen Wo waren die eigentlich aufeinander bezogen, wo waren die miteinander verschränkt undsoweiter. Und da sehe ich, also, da sehe ich auch noch sehr viel wirklich anregende und interessante Fragen. Und ich glaube, das Material ist da, wir müssen es nur sehen. Und die Debatten über Postkolonialismus, Rassismus und das Verhältnis des Rassismus zum Antisemitismus sind dabei, so fragwürdig manche Argumente dabei sein mögen, sind dabei sehr hilfreich und anregend, weil sie uns eben auf solche sachlichen Zusammenhänge erst mal stoßen.

00:44:04: Dann würde ich mich sehr herzlich bedanken.

00:44:06: Ja, sehr gerne. War mir ein Vergnügen.

00:44:08: FB Ja, dankeschön. Mir auch.

00:44:11: Wenn euch unser Podcast gefällt, würden wir uns freuen, wenn ihr diesen abonniert und über ein Podcast Player eurer Wahl bewertet. Nächsten Monat springen wir in die Zeit nach Zweiten Weltkrieg. Damals fanden die Alliierten in Europa 8 Millionen Menschen vor, die als Displaced Persons galten. Menschen, die sich etwa durch Kriegsgefangenschaft, Zwangsarbeit oder die Verfolgung durch den Nationalsozialismus weit von ihrem Zuhause entfernt befanden und nicht zurückkehren konnten oder wollten. Christina Wirth forscht in ihrer Doktorarbeit zu den Displaced Persons im Ruhrgebiet um war in Archiven in den USA, Großbritannien und Deutschland unterwegs.

00:44:11:

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.