Arbeit/Leistung: Wie wir Menschen nach Leistung unterscheiden

Shownotes

Wir leben in einer Leistungsgesellschaft: Über Leistung werden Unterschiede zwischen Menschen nicht nur hergestellt, sondern auch legitimiert. Wir sollen etwas leisten, bis ins hohe Alter hinein, beim Sport, in der Kunst und bei der Arbeit und auch mit Behinderungen. Aber was genau bedeutet eigentlich Leistung?

Wir fragen uns: Was ist Leistung, wer misst sie und wie? Welche Geschichte hat das Konzept? Ist Leistung etwas, dass unabhängig von anderen Menschen erbracht werden kann? Kann man Leistung überhaupt allein erbringen? Und wie geht es weiter mit unserer Leistungsgesellschaft?

Zu diesen Themen tauschen sich in dieser Folge gleich drei Mitglieder des SFB 1482 Humandifferenzierung aus: Mita Banerjee, Professorin für Amerikanistik, aus dem Teilprojekt „Successful Aging. Best Agers am Schnittpunkt von Alters- und Leistungsdifferenzierung“ Benjamin Wihstutz, Professor für Theaterwissenschaft, aus dem Teilprojekt „Disability Performance als Humandifferenzierung. Auf­führ­ungen von Devianz und Leistung im historischen Wandel“ Gregor Feindt, Postdoc in der osteuropäischen Geschichte, aus dem Teilprojekt „»Neue Menschen« schaffen und werden. Rationalisierung, Subjektivierung und Materialität in Baťas Industriestadt Zlín (1920–1950).“

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Host: Friederike Brinker (Sonderforschungsbereich 1482 Humandifferenzierung) Producer: Marco Mazur (Zentrum für audiovisuelle Produktion) Studentische Hilfskraft: Julia Wollmann (Sonderforschungsbereich 1482 Humandifferenzierung)

Der SFB 1482 Humandifferenzierung ist an der Johannes Gutenberg-Universität und dem Institut für Europäische Geschichte in Mainz angesiedelt. Für Feedback, Fragen und Vorschläge schreibt mir gern eine Mail: sfb1482.kommunikation@uni-mainz.de

Fotos: Stephanie Füssenich

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Transkript Leistung

Intro

Mita Banerjee: Warum muss Leistung immer was sein, was ich ökonomisch messe?

Podcast-Team: Hallo und herzlich willkommen bei einer neuen Folge „Sone und Solche“. Heute sprechen wir über Tourettes Hero, über 98jährige Marathonläufer und billige Schuhe. Anders gesagt: Es geht um Leistung.

Über Leistung können wir Menschen nicht nur unterscheiden, sondern diese Unterscheidung auch noch rechtfertigen. Wir fragen uns: Was ist Leistung, wer misst sie - und wie? Ist Leistung etwas, dass unabhängig von anderen Menschen erbracht werden kann? Kann man Leistung überhaupt allein erbringen? Und wie geht es weiter mit unserer Leistungsgesellschaft?

Ich diskutiere heute gleich mit drei Mitgliedern unseres SFB:

Ich diskutiere heute gleich mit drei Mitgliedern unseres SFB: Mita Banerjee (MB) ist Amerikanistin und forscht zum Thema Alter und Leistung, mit einem besonderen Fokus auf Best Agers,

Benjamin Wihstutz (BW) ist Theaterwissenschaftler und schaut sich die Performance von Künstler: innen mit Behinderungen an , sowohl historisch als auch in zeitgenössischem Theater.

Und Gregor Feindt (GF) ist als Historiker in der osteuropäischen Geschichte unterwegs. Er untersucht die Schuhfabrik Bat´a in Zlin in der Tschechoslowakei der 1930er. In einem Sozialexperiment wollte man dort nicht nur die Produktion sondern auch die Arbeiter: innen optimieren.

Und Gregor Feindt (GF) ist als Historiker in der osteuropäischen Geschichte unterwegs. Er untersucht die Schuhfabrik Bat´a in Zlin in der Tschechoslowakei der 1930er. In einem Sozialexperiment wollte man dort nicht nur die Produktion sondern auch die Arbeiter: Die drei stellen sich aber gleich auch selbst noch einmal vor.

MB: In unserem Projekt geht es darum zu fragen, wie kann es überhaupt sein, dass Alter und Leistung gekoppelt ist? Also Altern ist ein biologischer Prozess. Und wie kann das mit Leistung überhaupt verbunden sein? Unter welchen Bedingungen und wann fängt es überhaupt an? Also diese Fragen wollen wir gerne untersuchen.

BW: Ja, und bei mir im Projekt oder bei unserem Projekt aus der Theaterwissenschaft geht es um Disability Performance. Und dieser Begriff über Performanz wird bei uns doppeldeutig verstanden. Zum einen geht es um Aufführungen von behinderten Akteuren, und das kann ganz unterschiedlicher Art sein. Das kann im Zirkus sein, im Sport oder eben auch im Theater und Tanz und aber auch es geht auch um die Performance als Spannungsverhältnis von eben deshalb die Behinderung und Performance im Sinne von dargebotener Leistung.

BW: Und das untersuchen wir eben auch im historischen Wandel. Wie sich dieses Spannungsverhältnis verändert hat.

GF: Und in meinem historischen Projekt geht es um eine kleine Industriestadt in der Tschechoslowakei in der Zwischenkriegszeit, in den 20er und dreißiger Jahren, in der billige Schuhe für den Weltmarkt und neue Menschen hergestellt wurden. Und genau um diese neuen Menschen, um diese Beschäftigten geht es mir. Die nämlich abgegrenzt und unterschieden wurden von ihren Nachbarn, von ihren Verwandten, aber eben auch untereinander unterschieden wurden und nach Leistung bewertet wurden. Wer denn der richtige wäre, der ideale Beschäftigte für das Unternehmen ist und wer verzichtbar ist oder wer sogar entlassen werden muss.

FB: Dann würde ich, um ins Thema Leistung wirklich einzusteigen, erst mal fragen Was ist eigentlich Leistung? Also ab wann sprechen wir von Leistung? Was macht Leistung aus.

GF: (Lacht)

MB: Im Grunde würde man Leistung, das ist ja ein offener Begriff und uns interessiert gerade wer definiert den wie? Also insofern geht es im Zentrum der Projekte schon darum, wer definiert, was Leistung ist, welche Parameter gibt es? Auch, wie kann ich das messen? Also wenn ich sozusagen „Successful Aging“ habe, dann wäre die Frage, wer bemisst überhaupt, und wie, ob jemand erfolgreich gealtert ist oder nicht.

Und das wäre genau die Frage: Muss ich Wissenschaftler sein? Muss ich Arzt sein? Vollzieht sich das auch in den Medien? Also wenn ich in den Medien Ältere, zum Beispiel Marathonläufer darstelle, wenn ich da so ein Schlagwort habe „Successful Aging“, dann habe ich ja auch als Medien, Berichterstatter und Berichterstatterin das gemessen oder sozusagen bemessen und dieses Prädikat verliehen. Und gleichzeitig ist es dann die Frage: Wer ist überhaupt befähigt, dieses Prädikat zu verleihen? Es gibt es Experten und Laien oder wie vollzieht sich das und in welchem Spannungsfeld passiert es? Und schließlich auch angenommen, ich bin Marathon gelaufen mit 98 und ich werde von allen in allen Medien als „Successful Ager“ bezeichnet, ziehe ich mir diesen Schuh selbst an? Also ist es was, was ich auch für mich als Prädikat verwenden würde. Oder denke ich, ich habe einfach nur Spaß am Laufen?

BW: Ja, ich glaube, entscheidend ist erst mal anzuerkennen, dass das das, was Leistung ist, sich natürlich wie eigentlich alle Begriffe mehr oder weniger sich immer wieder auch kulturell verändert hat. Also es gibt nicht einen Leistungsbegriff, der sozusagen seit mehreren 100 Jahren gleichgeblieben ist, sondern das, was wir unter Leistung verstehen, wandelt sich historisch und dadurch, dass unser Projekt einen sehr langen Zeitraum abdeckt.

BW: Wir gucken uns nämlich tatsächlich unter diesem Spannungsverhältnis von Leistung und Behinderung, eben Aufführungen vom 19. Jahrhundert bei Shows, Zirkus, Aufführungen und so weiter bis zu Paralympics und heutigen Tanz und Theateraufführungen an, sozusagen ein Zeitraum von 150 Jahren ungefähr. Und da erkennt man natürlich sehr deutlich, dass sich da was verändert hat. Es gibt einfach mehrere. Ich würde sagen vielleicht mehrere Einschnitte.

BW: Man kann das so ein bisschen skizzieren. Vielleicht, dass es bestimmte Veränderungen gibt, die beispielsweise mit der Industrialisierung zu tun haben. Dazu kann Gregor sicherlich noch einiges sagen. Aber auch, also wenn wir überlegen, ab wann wird beispielsweise Leistung überhaupt messbar oder ab wann wird die Messbarkeit von Leistung wirklich relevant, kulturell auch relevant? Und das ist sicherlich vor der Industrialisierung noch schwer denkbar, also nicht in derselben Form oder nicht in derselben auch Dominanz dieser Messbarkeitsidee. Und das ist sicherlich auch bezeichnend, dass zum Beispiel jemand wie Frederick Taylor, der eben den Taylorismus für die Fließbandarbeit und so weiter die eingeführt hat…

FB: Wer ist Frederick Taylor? Was war da noch mal?

BW: Ein amerikanischer Ökonom und Industrieller, der eben Scientific Management, das ist ein sehr einflussreiches Buch, geschrieben hat und auch Experimente und Möglichkeiten der Optimierung in der Industriearbeit eingeführt hat. Und der hat beispielsweise mit der Stoppuhr gearbeitet. Anfang des 20. Jahrhunderts hat er versucht, eben auch mit der Stoppuhr Abläufe im Betrieb zu optimieren, so dass jeder Arbeitsschritt optimiert wird. Und das ist, glaube ich, ein ganz gutes Bild, weil man daran sehen kann, dass es so was wie die Stoppuhr, die eigentlich aus dem Sport vor allem bekannt ist, dass die auf einmal zum Beispiel in den Bereich der Arbeit migriert.

BW: Für mein Projekt bedeutet das beispielsweise, dass eben bestimmte, ja bestimmte Leistungsnarrative auf einmal für Menschen mit Behinderung, die öffentlich auftreten, im Zirkus oder im Varieté-Theater auf einmal eine Rolle spielen, dass sie auf einmal Dinge vorführen, die vielleicht auch gemessen werden. Mensch, der hat keine Arme, schafft trotzdem was weiß ich am Trapez. Das und das also ist nicht unbedingt immer quantitativ messbar.

BW: Aber es gibt sozusagen bestimmte Parallelen, die sich in derselben Zeit im Sport abspielen, dann auch in der Arbeit eine Rolle spielen. Und diese Darstellbarkeit und Messbarkeit von Leistung, die spielt auf einmal eine andere Rolle. Um 1900, als vielleicht noch 100 Jahre früher. Und die spielt heute sicherlich auch wieder eine andere Rolle, weil wir heute natürlich durch wiederum andere Entwicklungen vielleicht weniger nur eine quantitative Messung von Leistung im Vordergrund sehen, beispielsweise im Postfordismus.

BW: Aber ich weiß nicht, ob Gregor vielleicht da einsteigen möchte.

GF: Das ist ja schon mal ein großes Panorama, was aber, glaube ich, Leistung durchgehend schafft über diese lange Zeit ist ein legitimer Unterschied zu machen mit einem Leistungsbegriff. Auch wenn der Leistungsbegriff wandelbar ist, kann man legitim Menschen unterscheiden und ihre Qualität, ihre Wertigkeit für eine Gesellschaft voneinander abgrenzen. Und das ist gerade in der Arbeitswelt genau das Entscheidende, das nämlich mit einem Leistungsbegriff gesagt werden kann: „Dieser Beschäftigte ist mehr wert als jene Beschäftigte“ und genauso gesellschaftliche Gruppen sich voneinander abgrenzen können und die eigene Existenz dadurch aufwerten können. So ein klassisches Beispiel. Um 1900 wäre das der Leistungsbegriff. Gerade im Bürgertum betrieben wird. Nicht, weil man damit eine neue Differenzierung einführen will, sondern weil man bestehende Differenz in eine bestehende gesellschaftliche Ordnung rechtfertigen möchte, indem man selber darstellt, was man in seiner eigenen Position alles leistet, kann man rechtfertigen, dass man bessergestellt ist.

Heißt: Die eigene Bildung ist besser, man kann dadurch einen besseren Beitrag leisten. Man kann - in den Schulen lernen die eigenen Kinder mehr, schneller und besser sind dann intelligenter. So was kann man mit Intelligenztests quantitativ messen und damit rechtfertigen, dass diese Kinder später bessere Jobs bekommen, besser bezahlt werden und in einer Gesellschaft etwas zu sagen haben. Und diese Rechtfertigungslogik, diese Legitimationsstrategien durch den Leistungsbegriff sind eigentlich das Interessante, was hier unsere ganz unterschiedlichen Beispiele zusammenführt und was auch, was für Historiker eben auch interessant ist um einen diachronen Vergleich, also einen Vergleich von unterschiedlichen Zeitschichten von unterschiedlichen Zeitpunkten anzustellen, um zu sehen, was bedeutet denn Leistung um 1900 im Umgang mit Disability? Was bedeutet der um 1930 in einer Industriefabrik oder was bedeutet er nach dem zweiten Weltkrieg, wenn es um Best Ager in den USA geht? Und genau diese Punkte bringen uns eigentlich zusammen.

MB: Und ich finde, das ist eigentlich das Spannende, dass das, obwohl unsere Blicke sehr unterschiedlich sind auf den ersten Blick, beschäftigen wir uns nicht nur mit ähnlichen Fragestellungen, sondern sogar mit ähnlichen Feldern. Dass Arbeit überall vorkommt, dass Sport zum Beispiel bei Benjamin und mir vorkommt, ist einfach an sich schon spannend, weil das scheinen Felder zu sein, wo Leistung im Grunde aufgerufen wird, und zwar über, wie Gregor gesagt hat über historische Grenzen hinweg.

Bei den Best Agers ist es zum Beispiel so, dass im Sport diese Senioren Olympiade ist im Grunde eines der Felder, das zuerst aufgerufen wird. Also medial präsent sind, zu zeigen, 100-jährige Hürdenläufer: innen und all diese Bilder haben wir einfach im Kopf und das ist sozusagen eine visuelle Performance, würde Benjamin jetzt sagen. Dafür, was es heißt, gut gealtert zu sein und gleichzeitig sagen die Best Agers teilweise selbst. Und das sagt Iris Apfel zum Beispiel, das älteste Fotomodell der Welt. Mit 98 Jahren sagt „Retirement is worse than death“. Also ich will auf gar keinen Fall in Rente gehen. Und es heißt da ist - das Arbeitsleben wird im Grunde ausgedehnt ad infinitum. Also bis ich im Grunde gar nicht mehr kann. Manche Leute sagen, da kommt die Ideologie ins Spiel, die Benjamin, die Gregor angesprochen hat. Manche Leute sagen, das ist neoliberal, dass wir sagen, man muss eigentlich für immer arbeiten. Aber gleichzeitig sagen die Menschen selbst „Genau das ist das, was ich mir als produktiv vorstelle. Also ich bin erfolgreich gealtert. Nur wenn ich immer noch produktiv, bin auch im ökonomischen Sinne.“

GF: Wenn ich da gerade anschließen dürfte. Die deutsche gegen Diskussion wäre ja im Prinzip eine über die Rente und die Frage welche Rente steht älteren Menschen nach 67 zu? Und die Argumentation ist ja eine völlig andere und gleichzeitig eine auf der gleichen Grundlage, nämlich eine über die Lebensleistung. Ein Argument, das ja immer wieder im Vergleich von Ostdeutschland und Westdeutschland gebracht wird. Und dieses Argument mit der Lebensleistung geht ja genauso davon aus, dass es eine Leistung gibt, die einen bestimmten Status rechtfertigt, nur eben, dass das keine wiederholbare Leistung ist, sondern eine akkumulierte Leistung, die man zu einem gewissen Zeitpunkt erreicht hat und dann dauerhaft davon profitieren kann.

MB: Und das Tolle daran was Gregor kann sagt, ist, dass wir den Leistungsbegriff im Grunde auch alternativ verwenden können. Warum muss Leistung immer was sein, was ich ökonomisch messe? Warum kann es keine ideelle Vorstellung von Leistung geben? Und genau dieses Spannungsfeld ist, glaube ich, für uns alle drei wirklich spannend.

BW: Einen anderen Punkt, den ich interessant finde am Leistungsbegriff ist, dass er einerseits in gewisser Weise Entdifferenzierend wirkt, weil das Leistungsversprechen, also die Leistungsgesellschaft, ja eigentlich dafür für eine Gleichheit sorgen soll. Also jeder Mensch, egal ob Schwarz oder weiß oder aus welchem familiären Hintergrund, das ist das Versprechen der Leistungsgesellschaft, kann es in der Gesellschaft zu etwas bringen, kann irgendwie erfolgreich sein, wenn die Leistung stimmt.

BW: Jetzt ist es aber so, dass wenn man die Beispiele, die wir historisch genannt haben, zum Beispiel IQ-Tests und so weiter trotzdem auf eine andere Weise wieder neue Kategorien einführen. Wir wissen dann, ab einem bestimmten IQ zum Beispiel gilt man dann als heute, würde man sagen lernbehindert. Früher hätte man gesagt Idiot oder schwachsinnig. Ja, also das heißt, die Begriffe ändern sich natürlich über den Zeitraum auch, aber das heißt, man führt auf einmal neue Kategorien ein, die auch wieder eine klare, also auf einmal wieder an der Grenze umschlagen.

BW: Also es gibt dann die und die Menschen und es gibt die, die kann man einstellen, die kann man nicht mehr gebrauchen, die muss man eine Institution abschieben oder so was. Also das heißt, es ist einerseits ein Gleichheitsversprechen, andererseits werden neue Anforderungen oder auch neue Kategorien darüber eingeführt. Und genauso gibt es natürlich auch im Alltagsdiskurs auch wiederum Leistungsgrenzen im medizinischen Diskurs.

BW: Also was kann ein Mensch leisten? Ist natürlich altersabhängig. Und so weiter. Das finde ich eigentlich auch sehr spannend an diesem Begriff, dass es eigentlich zunächst einmal eine Art Gleichmacher ist oder Gleichmacher sein soll, gleichzeitig aber eben über Leistungsdifferenzen wieder neue Kategorien und neue Differenzen, neue Grenzen gezogen werden.

MB: Und daran schließt sich ja zum Beispiel für mich die Frage an: Die, die so sortiert werden, können die diese Sortierung unterlaufen oder in welcher Situation solidarisiere ich mich? Also, wenn ich sage, ich bin zwar erfolgreich gealtert, ich solidarisiere mich aber mit jemandem mit Behinderung. Ich möchte gar nicht so kategorisiert werden. Ich könnte aber auch diese Kluft weiter verstärken und sagen Ich bin erfolgreich gealtert. Und Behinderte sind das im Grunde, was ich als verdächtig bezeichnen würde. Das wäre natürlich sehr, sehr problematisch.

FB: Macht die Gesellschaft da auch ein Unterschied zwischen Leuten, die quasi erfolgreich gealtert sind und Leuten, die quasi nicht erfolgreich gealtert sind, weil sie nicht genug für ihre Gesundheit getan haben, sich falsch ernährt haben, vielleicht geraucht haben oder Leuten, die vielleicht alles richtig gemacht haben, um gut zu altern, aber vielleicht einen Unfall hatten oder eine Erbkrankheit oder so?

MB: Also das ist genau dieses Spannungsverhältnis, was uns interessiert. Also problematisch ist tatsächlich das, was Benjamin gesagt hat, dieses Gleichheitsversprechen, also dass man sagt, jeder kann für sich… Also das war der Ursprung dieses Paradigmas des Successful Ageing. Jeder hat die gleichen Bedingungen, startet unter den gleichen Bedingungen. Jeder kann etwas für seinen Körper tun, für seine Gesundheit. Und so weiter. Das greift dann zu kurz, wenn ich zum Beispiel arm bin und ich kann mir gar kein Gemüse und keine gesunde Ernährung leisten, dann bin ich vermeintlich unter den gleichen Bedingungen losgelaufen. Aber ich hatte nicht die gleiche Chance. Also das heißt, da ist es im Grunde ein Mythos vom sozusagen dieser Wettbewerbsgedanke, dass alle unter den gleichen Bedingungen starten. Also beim Unfall wäre man dann sozusagen entschuldigt. Also da konnte ich ja nichts dafür. Aber im Grunde ist dieses Successful Ageing impliziert, dass es meine Pflicht ist, für den eigenen Körper zu sorgen.

MB: Und wenn ich das nicht tue, dann tue ich das einfach. Dann habe ich sozusagen die Verantwortung verschenkt. Also es ist im Grunde sehr auch Gregor hat hier gesagt, ideologisch aufgeladen. Auch da ist es so, da impliziere ich, der Staat hat keine Verantwortung für den Einzelnen, sondern der Einzelne ist ganz allein in so einem neoliberalen Denken für sich selbst verantwortlich. Und das verschleiert natürlich, dass dieses Gleichheitsversprechen im Grunde selbst ein Mythos sein kann.

BW: Ja, interessant ist natürlich auch, dass unterschiedliche Felder unterschiedliche Bereiche der Gesellschaft oder Systeme, würde Luhmann sagen, unterschiedliche Möglichkeiten bieten, mit diesem Leistungsparadigma umzugehen. Also ich denke, die Fließbandarbeit ist sicherlich eine, wo man das, wo man dem nicht entkommen kann, Also da gibt es eigentlich keine Möglichkeit zu sagen ja, ich. Also vielleicht ist da heute gibt es da vielleicht andere Möglichkeiten, aber es müssen in der Zeit im 20. Jahrhundert größtenteils keine Möglichkeiten, dem zu entkommen.

BW: Wenn du die Leistung nicht bringst, dann wirst du wahrscheinlich entlassen. Irgendwann. Interessant ist jetzt in dem Bereich, den wir anschauen im Projekt, dass beispielsweise im Bereich der Kunst heute in der Gegenwart gewissermaßen versucht wird, teilweise natürlich überhaupt nicht flächendeckend, aber teilweise, dass Künstlerinnen aus den sogenannten Disability Arts, die sich selber auch als disabled auch bezeichnen und eben da auch versuchen, irgendwie mit diesem neuen Zugang vielleicht auch zu Kunst Ästhetik zu finden, dass die teilweise eben dann ja versuchen, da irgendwie ein anderes Verhältnis zu einzunehmen.

BW: Also beispielsweise es gibt eine Künstlerin, die heißt Jess Thom, nennt sich Tourette Hero, die hat Tourette Syndrom und Tourette Hero. Klingt schon an, dass das irgendwie ein interessanter, vielleicht auch ironischer Umgang mit Tourette mit dieser Bezeichnung ist. Die sagt zum Beispiel von sich, dass das Tourette was Tics verursacht, wo sie auch Dinge sagt, die sie nicht kontrollieren kann, wo sie natürlich Geräusche macht, die sie nicht kontrollieren kann, dass das ihre Kreativität steigert und dass das, dass sie sich nie an ein Skript halten kann, weil ihre Tics immer dazwischen kommen.

BW: Und das gehört aber zu ihrer Kunst dazu. Also ist zum Beispiel ein interessanter Umgang mit so was wie Was bedeutet da eigentlich gelungene Performance, wenn sozusagen ein Skript gar nicht mehr eingehalten werden kann? Oder wenn, wenn sie sagt, das ist das ist eigentlich ihre Kreativität. Sie twittert beispielsweise auch ihre besten Outbursts nennt sie das, ihre besten Tics.

GF: Ich bin jetzt gerade tatsächlich hellhörig geworden, als du gesagt hast, die Kreativität steigern ja, das ist natürlich klar, weil das ja genau nicht dieselbe Leistungslogik, aber auch in dieser qualifizierten Denkweise sich niederschlägt und auf eine gewisse Art und Weise diesen Ausbruch aus den üblichen Regeln der Leistung rechtfertigt. Weil das etwas ist, was ich zum Beispiel bei Arbeitsdiskursen, nicht bei meinen In den 1920er/ 1930er Jahren ist das noch kein Thema. Aber wenn ich mir heute Startups anschaue oder heutiges Sprechen über Leistung in der Arbeitswelt, dann kann man da auch sehr viel Verweigerung gegenüber eingefahrenen Pfaden erkennen. Häufig aber gerechtfertigt mit der Aussage, dass am Ende ja in weniger Zeit und mit weniger Druck eigentlich das gleiche, wenn nicht mehr leistet und deswegen bin ich jetzt gerade so ein bisschen hellhörig geworden.

MB: Und gleichzeitig ist die Frage der Kunst ist natürlich was, auch, was mich als Amerikanistin umtreibt. Also die Frage ist, wenn ich Alter anders darstelle, selbst in den Mainstream Medien, was kann ich dadurch verändern? Benjamin hat ja gerade die Szene, sozusagen die Performer mit Disability angesprochen. Gleichzeitig kann sich aber auch in den Mainstream Medien das Bild von Alter verschieben. Es gibt einen neuen Film „Meine Stunden mit Leo Grande“, wo Emma Thompson eine alternde Lehrerin spielt und plötzlich die Sexualität neu entdeckt, mit einem Sex Worker. Und dadurch, dass der Film das auch zeigt, was bedeutet ein Altern? Der Körper ist diese Frau, die noch dazu aber natürlich ein Filmstar ist, die Darstellerin ist die immer noch attraktiv. Das heißt, dadurch verschieben sich Alters Bilder, weil über bestimmte Themen gesprochen wird.

MB: Das war lange tabu, also gerade für Frauen. Susan Sonntag, hat gesagt, es gibt diesen Double Standard of Aging. Männer werden mit dem Alter attraktiver. Da gibt es, die sind dann Silberfüchse und Frauen werden einfach unattraktiv. Und dieser Film - In dem Moment, wo das als Blockbuster in die Kinos kommt, verändert das da die Art und Weise, wie wir über weibliche Körper, über alternde weibliche Körper sprechen und wie wir die auch sehen.

Das heißt die Visualisierung, die auch Benjamin ja untersucht. Er hat einen Einfluss darauf, wie sich diese Grenze zwischen Alter und Schönheit, zum Beispiel Alter und Attraktivität verschieben kann, gerade auch in Bezug auf Weiblichkeit. Insofern wird diese Kunst, also Kunst, Performance und aber auch Mainstream Medien wären ein Indikator dafür, dass ich ein ganzes Feld verschieben kann. Und das würde dann wiederum, also das ist im Grunde der Idealfall, aber auf die Community selbst zurückwirken, aber auch auf uns selbst, weil wir sind ja auch Akteur: innen, die sich selbst bewegen.

Das heißt die Visualisierung, die auch Benjamin ja untersucht. Er hat einen Einfluss darauf, wie sich diese Grenze zwischen Alter und Schönheit, zum Beispiel Alter und Attraktivität verschieben kann, gerade auch in Bezug auf Weiblichkeit. Insofern wird diese Kunst, also Kunst, Performance und aber auch Mainstream Medien wären ein Indikator dafür, dass ich ein ganzes Feld verschieben kann. Und das würde dann wiederum, also das ist im Grunde der Idealfall, aber auf die Community selbst zurückwirken, aber auch auf uns selbst, weil wir sind ja auch Akteur: Was kann ich in meinem Alter, sage ich zum Beispiel noch tragen als Frau? Darf ich? Muss der Rock irgendwie dann länger sein im Alter? Was ist noch attraktiv? Und insofern auch unsere Alltags Performances richten sich ja danach, was erlaubt ist und was eben zum Beispiel stigmatisiert wird. Egal. Also einfach, wenn man dann sagt so, das schickt sich nicht mehr.

Das heißt die Visualisierung, die auch Benjamin ja untersucht. Er hat einen Einfluss darauf, wie sich diese Grenze zwischen Alter und Schönheit, zum Beispiel Alter und Attraktivität verschieben kann, gerade auch in Bezug auf Weiblichkeit. Insofern wird diese Kunst, also Kunst, Performance und aber auch Mainstream Medien wären ein Indikator dafür, dass ich ein ganzes Feld verschieben kann. Und das würde dann wiederum, also das ist im Grunde der Idealfall, aber auf die Community selbst zurückwirken, aber auch auf uns selbst, weil wir sind ja auch Akteur: Also würden wir nicht mehr sagen, aber das sieht nicht mehr gut aus.

BW: Ja, also ich glaube, ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich. Ich habe sie nicht zitiert zu sagen. Ich weiß nicht, ob sie wirklich von steigern der Kreativität spricht, aber mir ist es auch gleich aufgefallen, als ich das vorhin gesagt habe. Und was natürlich dran ist, ist, dass ich meine, dass eine große Diskussion auch Boltanski und andere haben darüber geschrieben, wie wir sozusagen die Kunst natürlich immer schon oder immer wieder auch ein Bereich ist, wo bestimmte ja eine bestimmte Flexibilisierung, eine bestimmte Art und Weise, auch Ästhetisierung und weiter, die auch in der Wirtschaft eine große Rolle spielt oder sogar Vorreiter in der Kunst, die dann dazu führen, dass man zum Beispiel ja bestimmte neoliberale, die man heute als neoliberal bezeichnen würde, Werte oder auch Vorstellungen, zum Beispiel Flexibilisierung von Arbeitszeit. Und so weiter, dass die natürlich ganz stark in der Kunst sowieso vorhanden ist und da geht es natürlich nicht darum, wie viel Stunden du gearbeitet hast, ob du erfolgreich bist, sondern eigentlich gibt es schon seit sehr langem in der Kunst, vielleicht sogar schon mehr. Nicht schon immer, aber vor allem seit der Moderne, würde ich sagen, geht es natürlich viel stärker um Innovation. Und Innovation ist natürlich klar ein Stichwort, was in der Arbeitswelt seit dem 20. Jahrhundert eigentlich erst eine richtig große Rolle gespielt hat. Und ja, insofern gibt es da natürlich interessante Parallelen oder auch immer wieder Aushandlung, auch von den im künstlerischen Bereich selber immer wieder die Diskussion: Wie schaffe ich es zum Beispiel so was wie Barrierefreiheit, Accessability stark zu machen, Zugänglichkeit für alle irgendwie zu ermöglichen und es trotzdem nicht gleich wieder zu so einem Vermarktungsding zu machen. Oder Diversität zum Beispiel als was Positives darzustellen und trotzdem nicht in diese Falle rein zu tappen, dass das doch wieder eigentlich nur mit einer Produktvielfalt zu tun hat, wie wir das in der Wirtschaft kennen.

BW: Also solche Diskussionen laufen sehr viel in den Künsten, weil es natürlich sehr oft auch der Versuch da ist, sich irgendwie schärfer abzugrenzen von der Welt der Wirtschaft. Und so weiter. Und das gelingt natürlich nicht immer. Also ganz klar, vielleicht noch einen anderen Punkt, der mir noch einfällt Wir sprechen jetzt die ganze Zeit über Leistung und haben dann doch immer Beispiele gebracht, die eher was natürlich bezeichnend ist, die eher individuelle Leistungen in den Vordergrund stellen.

Wobei natürlich im Bereich der Arbeit das vielleicht nochmal ein bisschen anders ist, weil dann auch die Leistung des Betriebs insgesamt und so weiter eine Rolle spielt. Aber interessant ist auch: Es gibt natürlich dieses. Zu diesem Leistungsdenken oder Leistungsparadigma gehört eben auch so ein Unabhängigkeitsanspruch. Zum Beispiel bei uns meine Mitarbeiterin Elena Backhausen die untersucht, unter anderem Blindensprint. Und da ist es ja zum Beispiel so, dass die blinden Sportlerinnen oder sehbehinderte Athletinnen, die die machen das nicht allein, sondern mit einem Guide, die die rennen zusammen mit einem Guide und die brauchen einen Guide, der mit einem Band verbunden nebenher rennt.

Und dann wird natürlich die Zeit gemessen. Das ist natürlich die Frage: Ist das eine Leistung von jemand alleine oder ist das sozusagen ein eine Teamleistung? Ist aber interessanterweise nicht als Team Sportart. Es gilt nicht als Teamsportart. Es ist nur ein Guide, der sozusagen Assistenz leistet für die Sprinterin. Und das sind ganz spannende Beispiele. Ich glaube, es gibt noch andere, wo man sagen kann, da kommt auf einmal so was ins Spiel, wo man sich darüber austauschen muss.

Und dann wird natürlich die Zeit gemessen. Das ist natürlich die Frage: Inwiefern ist eigentlich eine messbare Leistung oder die Leistung, die bewertet wird, die auch gilt? Wie unabhängig muss die eigentlich sein, um als Leistung zu gelten? Das sind in Bereichen, wo es um Behinderung geht. Zum Beispiel ist es eine sehr, sehr zentrale Frage, weil die natürlich immer wieder eine Rolle spielt. Inwiefern kann jemand, wenn jemand, der Assistenz braucht, wird das dann zum Beispiel zugelassen in der Uni?

Und dann wird natürlich die Zeit gemessen. Das ist natürlich die Frage: Inwiefern ist das, ist das möglich bei Klausuren, also Assistenzleistung, in welcher Form auch immer, das kann natürlich, das kann maschinell sein, das kann, das kann eine weitere Person sein. Und so weiter. Das, das sind Sachen, die spielen für diese Diskussion um Leistung sicherlich eine große Rolle.

GF: Das wäre ja tatsächlich noch ein interessanter Vergleich zum olympischen Sport. Mir sind gleich so ein paar Sportarten eingefallen, Bobfahren zum Beispiel, wo die Anschieber ja durchaus bekannt sind. Aber ja, in der zweiten Reihe stehen, Wasserträger. Irgendwas anderes hatte ich jetzt gerade auch noch, auf das ich jetzt nicht bekomme, aber auf jeden Fall so Konstrukte, in denen eine gewisse Teilhabe an der Leistung anerkannt wird, sie aber auch Grenzen hat.

GF: Und die Frage ist, wer sichtbar ist. Ich habe das in meinem in meiner Schuhfabrik, wenn ich sag mittlerweile immer meine Schuhfabrik, äh, in dieser Schuhfabrik in Zlín habe ich eine Bewertung von Werkhallen, also von Teams von zehn, 20 Leuten, die wöchentlich an Umsatz beteiligt werden. Die handeln miteinander. Also in diesem in dieser Fabrik gibt es hier 44 bis 50 Werkhallen, die miteinander Handel betreiben und was sie an Überschuss behalten, wird auf die Meister und auf die ArbeiterInnen umgelegt.

Und da gibt es tatsächlich so eine Art kollektivierte Leistung kollektivierte Leistungszulage bis zu einem gewissen Grad sogar Leistungsabzüge. Wenn man die Leistung nicht erbracht hat. Also da gibt es so Mechanismen, aber dann eben auch die klare Frage: Wie steht denn ein Vorarbeiter in einem System? Der wird auch anders beteiligt am Umsatz. Der hat dann im Prinzip so eine Art Fraktionsstatus.

Und da gibt es tatsächlich so eine Art kollektivierte Leistung kollektivierte Leistungszulage bis zu einem gewissen Grad sogar Leistungsabzüge. Wenn man die Leistung nicht erbracht hat. Also da gibt es so Mechanismen, aber dann eben auch die klare Frage: Also das ist ein sind ganz diffizile Systeme und ich glaube, da helfen gerade Vergleiche weiter.

MB: Die Frage wäre, ob überhaupt in dem Moment, wo ich die Leistung anlege, die Leistungsmessung auch, ob das schon was individualisieren das hat, also ob ich zum Beispiel die Personalakte ist individuell, da steht nicht drin, der XY hat mir aber geholfen. Genauso bei den Succesful Aging für diese Fragen. Da ist immer die Frage. Das ist eine der Grundfragen unseres Projekes:

MB: Gibt es denn eine Gemeinschaft der Successful Agers oder tritt im Grunde jeder gegen den anderen an? Also ich will, ja, ich will noch erfolgreicher gealtert sein als der andere. Das heißt, es geht gerade nicht um Rechte von Menschen, die älter sind, sondern ich will im Grunde die anderen, die auch erfolgreich sind, aber vielleicht nicht so erfolgreich wie ich selbst ausstechen.

MB: Und das wäre im Grunde die Logik des Wettbewerbs und der Individualisierung.

GF: Aber gibt es solche Vergleiche nicht, wenn man über andere Länder schreibt? Also gibt es diese gemeinschaftliche Leistung des Best Ageing nicht, wenn man über Japan berichtet, wo viele ältere Menschen noch arbeiten oder wo, wenn man über die Mittelmeer Diät berichtet, die ja so gesundheitsförderlich sein soll, dass die Menschen besser altern.

MB: Also das ist interessant, weil das heißt, es ist ja im Grunde so eine Medikalisierung von Best Ageing. Also es heißt, Wissenschaftler:innen untersuchen, was man auf Sardinien und in Japan am besten, was man am besten ist. Und es hat immer auch so eine Logik, dass wir es selbst nachmachen können. Also wenn wir das auch genauso machen, dann können wir vielleicht auch erfolgreich altern und also das wäre im Grunde so eine Naturwissenschaftliche Grundlage und gleichzeitig würden aber viele der japanischen 100-jährigen da haben wir uns das angeguckt in der Übersetzung, leider, weil wir die Narrative ja nicht auf Japanisch lesen können.

MB: Die würden tatsächlich sagen, es ist gar keine Leistung des Einzelnen, sondern genau wie du sagst, die würden sagen, es ist. Es ist doch logisch, dass wenn ich, ich kann doch laufen, also laufe ich. Das heißt, ich kann noch mitarbeiten in meinem Dorf, also mache ich was. Das heißt, die würden diese Maßstäbe, die ja im Grunde westlich sind, Industriegesellschaft, all diese Leistungsfähigkeitsmaßstäbe würden sie gar nicht anlegen, sondern sie würden sagen „Das ist ein gesunder Menschenverstand, ich möchte ja einfach ein erfülltes Leben haben, und dann bin ich Teil meiner Gemeinschaft.“

Das heißt, das Spannende wäre: In welcher Gesellschaft kommt es überhaupt zu so einem Begriff von Successful Aging? Und es würden genau diese in Japan erfolgreich gealterten, für sich selbst gar nicht sagen. Und in den USA, die USA ist die Meritokratie, eine Gesellschaft also, da wird alles über Leistung gemessen, das heißt genau aus dem Land kommt jetzt dieses Paradigma des Successful Aging.

Das heißt, das Spannende wäre: Und das ist kein Zufall, weil diese kulturelle Rahmung eben auch eine ganz große Rolle spielt dafür, ob wir überhaupt kategorisieren.

BW: Und insofern, was ganz interessant ist, auch wenn man Sozialgeschichte anschaut, Behintertenbewegungen zum Beispiel Independent Living. Das Independent Living Movement seit den 50er, 60er Jahren, 60er Jahren vor allem in USA, dann selbstbestimmt leben in Deutschland. Und das hat natürlich ganz viel auch mit diesem unabhängig leisten zu tun. Also.

BW: Man möchte sozusagen erreichen, dass jeder Mensch, egal welche Behinderung er hat, sie hat eben in der Gesellschaft unabhängig leben kann, aber auch unabhängig etwas sozusagen leisten kann und auch genauso sozusagen alle beruflichen Wünsche sich erfüllen lassen. Und das steht auf einen interessanten Widerspruch. Natürlich zur Abhängigkeit, die aufgrund von zum Beispiel Assistenzen notwendig sind, Also das heißt man, man organisiert beispielsweise dann Assistenz, so dass eben Independent living möglich ist.

BW: Gleichzeitig ist es aber trotzdem wieder ähnlich wie bei den Sprintern ähnlich eine die Voraussetzung, dass man eben mit diesen anderen Leuten, die einen helfen, eben auch gut klarkommt. Dass die einen wirklich assistieren, dass das alles funktioniert.

MB: Das heißt, der Leistungsbegriff, das ist genauso in der Altersforschung würde eine bestimmte Autonomie einen Begriff von Autonomie zugrunde legen und jede andere Form der Autonomie würde gar nicht als Autonomie gesehen. Also es gibt diesen Begriff der relationalen Autonomie. Also das heißt, wenn du mich ein bisschen unterstützt, kann ich ja trotzdem meine Leistung bringen. Und warum schmälert diese Unterstützung die Leistung, die ich erbringe?

MB: Aber genau so denken wir eben nicht. Wir denken in den Kategorien, die in der amerikanischen Geschichte zum Beispiel sehr verwurzelt sind. Es geht immer um rugged individualism, immer um Individualismus. Und alles andere ist im Grunde schon Versagen. Und das ist ja an sich schon eine Unterstellung, die wir so gar nicht teilen würden, die wir auch in Europa zum Beispiel nicht teilen würden.

FB: Ja, ich meine ja, die Assistenz braucht man ja im Grunde genommen, um leistungsfähig zu sein. Also ich meine auch ein Schuh kann man glaube ich, kann man schon alleine machen, aber wird man in der Schuhfabrik nicht allein gemacht haben. Also ist eigentlich alles eher Teamwork.

GF: Vielleicht mal zu Probezwecken oder vielleicht mal, wenn man handwerklich einen Schuh herstellen soll. Aber es geht tatsächlich ganz häufig um dieses Zusammenspiel, aber dann eben doch um die Identifizierung des Einzelnen, der sich besonders beweist, der vielleicht schneller ist als seine Kollegen und deswegen am Fließband auch nichts mehr zu suchen hat, weil er ja gebremst wird in seinem Arbeitsdrang.

GF: Das ist ja die andere Seite dieser industriellen Arbeit, dass sie ja auch Tempo und Leistung normiert. Das, was Frederick Taylor mit seiner Stoppuhr hergestellt hat, ist ja nicht nur ein Standard, den man erreichen muss, sondern auch kaum überschreiten kann, weil man sonst das System stört. Also das ist tatsächlich so ein Zusammenspiel von unterschiedlichen Personen, das zum einen auf Rollen basiert, also auf bestimmten Funktionen, die man erfüllen muss, damit das System funktioniert, damit die Leistung erbracht werden kann, aber eben auch, indem jeder diese Rolle annehmen muss, weil sonst die Messung auch nicht funktioniert.

FB: Mich würde noch interessieren, ob ihr für eure Forschung auch selber Leistung einschätzen musstet und wie er das gemacht hat, ob ihr da irgendwie Kriterien habt? Oder hattet ihr alle irgendwie Einschätzungen, auf die er euch zurückgreifen konntet?

BW: Also eher letzteres. Also wie ich am Anfang sagte, uns interessieren am Projekt schon am meisten. Auch wir. Wir haben also historisch viel mit Ego-Dokumenten zu tun oder eben auch in Bezug auf die Gegenwart. Da machen wir auch Interviews und so weiter. Und da interessiert uns wirklich auch, wie die Akteure, wie die Performerin selber ihre Leistung oder ihre Performance einschätzen.

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00: Sprecher 2

Das heißt, wir würden eher danach fragen: Was ist denn für dich eine gelungene Performance beispielsweise? Und ja, und wie ist das bei dir? Bei Tourettes Hero beispielsweise Was ist für Sie gelungen? Hat sie trotzdem Kriterien einer gelungenen, einer Leistung oder so? Die, die sie dann ansetzt? Wahrscheinlich schon. Und das ist dann das Spannende. Also da zu gucken, wie verhalten sich die Personen zu diesen Leistungskriterien und deswegen und sowieso im Bereich der Kunst ist es natürlich sowieso so, dass da da misst man ja eigentlich keine Leistung, also das ist ja, das lässt sich schwer sagen, das ist ja eher ein ästhetisches Urteilen, was sozusagen, wo man darüber streiten kann, was gute und was schlechte Kunst ist. Das ist natürlich eine andere Art von Leistung. Und in den anderen Bereichen, die uns interessieren, also Zirkus, Sport. Und so weiter. Da ist dann meistens die Leistung gewissermaßen schon gegeben. Wir wissen, das ist ein sehr guter Sprinter beispielsweise, oder das ist die ist jetzt Dritte geworden beim Schwimmen oder so, da wissen wir natürlich, da haben wir erst mal was schon, was schon vorliegt.

Das heißt, wir würden eher danach fragen: Und das ist trotzdem interessant zu hören. Was, wie, was sagen die die Person denn zu diesem Verhältnis von Leistung und Behinderung und wie, wie sehen die das dann selber? Und wir sehen das vielleicht auch biografisch. Und so weiter.

GF: Ich glaube, ich gehe ich in meinem Projekt in eine ganz ähnliche Richtung, nur mit etwas mehr zeitlichem Abstand und dadurch etwas kritischer. Nein, nicht mit einer etwas kritischeren Perspektive, aber mit einer anderen Verfremdung daran. Denn mich interessiert ja als Historiker, wie diese historischen Akteure selber mit Leistung argumentieren und welche Leistungsbegriffe sie aufführen, welche Leistungsbegriff sie anwenden. Und dann kann ich zum Beispiel schon in so eine solche Personalakte reinschauen und mir angucken, ob denn die Schlüsse, die aus der dokumentierten Leistung gezogen werden, tatsächlich konsistent sind und ob denn bei jedem, bei dem eine schlechte Leistung konstatiert ist. Das ist in diesen Personalakten so der Klassiker, dass eigentlich immer nur Negatives dokumentiert wird und dann zum Beispiel so eine floskelhaft bemerken wie“ verdirbt uns die Zahlen“. Das ist so die Beschreibung, dass da jemand am Fließband nicht richtig arbeitet. Dann kann ich mir tatsächlich anschauen: Korreliert das der mit seinem Lohn? Denn wenn die Person tatsächlich die Zahlen verdirbt, dann müsste der Akkord Lohn geringer sein.

GF: Und so kann ich dann tatsächlich eine distanzierte Kritik dieser Leistungslogiken herausarbeiten und finde zumindest in bestimmten Fällen, dass da ganz andere Sachen dahinterstehen. Manchmal mag das tatsächlich schlechte Arbeitsleistung gewesen sein, in vielen anderen Fällen ist das einfach eine Form der Devianz, eine Form der Konfliktaushandlung, die dann über eine qualifizierte Leistung kanalisiert wird. Und dann wird halt der Auszubildende, der sich im Internat danebenbenommen hat, leistet, auf einmal auch weniger, auch wenn er es nach den Dokumenten, die ich aus derselben Akte zur Verfügung habe, wahrscheinlich gar nicht getan hat.

MB: Und diese Verfremdung wird auch in unserem Projekt zentral. Also die Falle ist immer, dass wir Leistungsbegriff aus dem Feld übernehmen. Also das heißt, wenn es Successful Aging diesen Begriff gibt, und der kommt aber aus einer Gesellschaft, in der ich auch selbst lebe. Auch hier ist es ja mittlerweile wie ein Schlagwort verwendet also diese Best Agers, dann muss ich ja immer versuchen, genau das zu verfremden.

MB: Also ich muss das hinterfragen und sagen, die Formate, in denen das geschieht, also bei mir nicht die Personalakte, sondern zum Beispiel die mediale Darstellung. Da muss ich das hinterfragen und sagen, ich darf dem gar nicht auf den Leim gehen, sondern ich muss einen Schritt zurücktreten und fragen, was wir vorhin gesagt haben. Was heißt überhaupt Leistung? Wer vergibt überhaupt das Prädikat und was ist dessen Expertise?

Das heißt im Grunde diese Verfremdung der Leistung, dass ich Leistung gar nicht als gegeben annehme und auch die Kategorien und die Parameter gar nicht als gegeben ansehe, sondern das hinterfrage, das wäre irgendwie die Herausforderung und das Projekt. Und das Spannende ist für mich: Ich bin ja Amerikanistik, das heißt, wir machen ja keine Feldforschung im soziologischen Sinne oder wie die Ethnologie das macht.

Das heißt, ich habe von der Soziologie gelernt zu sagen, ich muss auch die Kategorien untersuchen, mit denen ich dann messe. Das heißt, da gibt es ein Begriff „Classifying the Classifier“, das heißt, ich muss nicht nur diesem Klassifizierer folgen, sondern ich muss auch fragen, was zeichnet den überhaupt aus? Und würde ich das überhaupt als legitim ansehen? Das heißt, ich würde immer nicht gleich in die Daten oder ins Material oder ins Feld reingehen, sondern einen Schritt zurücktreten, um zu sagen Aha, ich untersuche nicht nur Leistung. Sondern ich frage: Was untersuche ich da eigentlich und wie positioniere ich mich auch selbst? Weil genau wie Gregor, Und das lernen wir auch von Historikerinnen. Ich muss aus dem Feld rausgehen und sagen: Was macht überhaupt das Feld auf aus? Und das ist natürlich für Gregor als Historiker, der auf Tschechien in den Dreißigern schaut, leichter als für mich, wenn ich mit heutigen Kategorien aus der Gesellschaft komme, auf Deutschland oder auf die USA schaue. Aber gleichzeitig brauche ich genau diese Verfremdung, weil sonst gehe ich ja den Kategorien selbst auf den Leim.

FB: Mich würde noch zum Abschluss interessieren Sind wir eigentlich eine Leistungsgesellschaft? Also jetzt die USA? Hast du ja vorhin schon gesagt, ganz extrem, aber hier in Deutschland sind wir eine Leistungsgesellschaft oder eher so ein Zwischending?

GF: Ich würde sagen, wir sind auf jeden Fall eine Leistungsgesellschaft. Wir sollten fragen, welche wir sind. Denn, dass diese Gesellschaft mit Leistung argumentiert und mit Leistung, Politik und gesellschaftliche Praxis rechtfertigt. Ich glaube, das können wir nicht wirklich bestreiten. Die Frage ist aber, mit welchem Leistungsbegriff? Und da wird sich, wenn wir uns das über die letzten 50 oder 100 Jahre anschauen, wird sich das deutlich verschoben haben.

Und wir erleben ja jetzt gerade auch eine Verschiebung, zum Beispiel des Leistungsbegriff in der Arbeitswelt. Wenn wir heute über eine Vier Tage Woche diskutieren, dann ist das natürlich eine Neubewertung von Leistung und auch eine Neubewertung von Arbeitszeit, von Werten in der Arbeitswelt. Also von daher, ich würde sagen, auf jeden Fall. Die Frage ist, in welche Richtung gehen wir, in welche Richtung gehen vielleicht gesellschaftliche Teilsysteme? In welche Richtung geht die jüngere Generation? Das wäre eine der großen Fragen, aber auch die Frage, was wir in Zukunft noch mit Leistung rechtfertigen wollen. Ich habe eben mal ganz kurz die Rente angesprochen. Das wird uns auf die nächsten Jahrzehnte immer wieder beschäftigen. Und die Frage wird sein: Wie können wir dieses Rentensystem am Laufen halten und wie können wir Unterscheidungen darin rechtfertigen?

Und wir erleben ja jetzt gerade auch eine Verschiebung, zum Beispiel des Leistungsbegriff in der Arbeitswelt. Wenn wir heute über eine Vier Tage Woche diskutieren, dann ist das natürlich eine Neubewertung von Leistung und auch eine Neubewertung von Arbeitszeit, von Werten in der Arbeitswelt. Also von daher, ich würde sagen, auf jeden Fall. Die Frage ist, in welche Richtung gehen wir, in welche Richtung gehen vielleicht gesellschaftliche Teilsysteme? In welche Richtung geht die jüngere Generation? Das wäre eine der großen Fragen, aber auch die Frage, was wir in Zukunft noch mit Leistung rechtfertigen wollen. Ich habe eben mal ganz kurz die Rente angesprochen. Das wird uns auf die nächsten Jahrzehnte immer wieder beschäftigen. Und die Frage wird sein: Und das wird auf eine Diskussion über Leistung hinauslaufen sei das akkumulierte Leistung sei, das situative Leistung sei das im Prinzip die Leistung des Einzelnen im Moment oder seine oder ihre Lebensleistung.

BW: Ich, ich teile auch diesen Eindruck, dass wir zurzeit, glaube ich, auch wieder an einem Punkt sind, wo sich da was wandelt. Also man muss immer sehr vorsichtig sein mit solchen Diagnosen, aber es ist sozusagen, es scheint so ein bisschen so, diese vier Tage Woche ist ein gutes Stichwort, dass wir wirklich an dem Punkt sind, wo man erstens viel wieder überlässt und diskutiert.

BW: Es gibt sehr viel kritische Stimmen zur Leistungsgesellschaft. Also Michael Sandel zum Beispiel. Dieses Buch „The Tyranny of Merit“, glaube ich, heißt das, wo er einsteigt mit den mit den Skandalen an den Elitehochschulen, Harvard usw in USA, wo eben Leute sich eingekauft haben, über Umwege um Platz an der begehrten Uni zu bekommen und letztendlich die Meritokratie Gesellschaft USA dann doch sich als auch als Mythos in mancher Hinsicht erweist.

BW: Wir haben aber vor allem heute, ich merke das auch selber. Ich glaube wir haben einfach seit den 80er Jahren hatten wir eine kontinuierliche Flexibilisierung, was die Arbeitswelt angeht, gerade natürlich in dem Bereich, in dem wir jetzt arbeiten. Also Wissenschaft ist natürlich einer der Bereiche. Ich bin damit aufgewachsen, dass das überhaupt keine Rolle spielt, was für einen Arbeitsvertrag du hast, wenn du promoviert oder habilitiert, was auch immer. Entscheidend natürlich nur die Leistung, die am Ende rauskommt und nicht irgendwas wie Arbeitszeit. Das heißt, ich habe sozusagen die neoliberale Logik komplett internalisiert. Also es geht nicht darum, wie viel Stunden ich arbeite, sondern es geht allein um die Qualität und da habe ich zum Beispiel den Eindruck, da, ändert sich momentan was. Es gibt neue. Ich habe den Eindruck, dass die junge Generation es kommen bestimmte gewerkschaftliche Positionen kommen stärker zurück, habe ich den Eindruck.

BW: Das Recht, die Arbeitszeit zu messen wird wieder mehr verlangt, also mehr eingefordert und gleichzeitig aber eben auch ja oder eben auch solche Sachen wie Diskussion darüber. Dadurch, dass wir ständig erreichbar sind, über Mobiltelefon, über Email. Und so weiter. Die Frage Digital Detox, Wochenende freinehmen. Und zwar Ich beantworte am Wochenende keine Emails.

Es gibt so neuerdings automatisch Nachrichten von Kollegen, die dann im Urlaub nicht nur schreiben Ich bin dann wieder da, sondern auch: ich beantworte auch die Mails nicht nach meinem Urlaub, sondern sie müssen mir noch mal eine Mail schreiben. Also, dass sind neue Tendenzen, die interessant auf interessanterweise diese Allgegenwärtigkeit von Ich bin immer leistungsfähig, ich bin immer präsent das tatsächlich ja ändern und das sind, da sehe ich auch Parallelen zum Theater, die eben, wo eben jetzt auch stärker auch zum Beispiel diese Diskussion um Barrierefreiheit, um man muss nicht vier Stunden lang im Theater still sitzen können, man kann vielleicht auch mal zwischendurch rausgehen, wenn man möchte oder so.

MB: Und damit sind wir im Grunde da, wo wir vorhin angefangen haben. Das heißt, gerade wenn sich jetzt was verschiebt, wird ja Leistung neu bewertet. Also das heißt, dass ich sage, Leistung ist nicht nur, was ich gearbeitet habe, wie viel ich gearbeitet habe, ob ich Vollzeit gearbeitet habe, sondern auch andere Formen. Du hast vorhin gesagt soziale Teilhabe, also wenn ich mich um Kinder gekümmert habe, wenn ich mich um Verwandte gekümmert habe, die vielleicht krank waren, all das ist jetzt eine offene Diskussion geworden.

MB: Ist das nicht auch eine Leistung? Für wen wird die Leistung erbracht? Gibt es so was wie kollektive Leistung oder Leistung, die ich für die Gemeinschaft erbracht habe und nicht für mich selbst? In dem Moment, wo das auch anerkannt wird, hat sich schon der Leistungsbegriff verschoben. Und das ist eigentlich das Spannende daran, dass die Verschiebungen sind für uns, glaube ich, noch viel spannender als die Situationen, wo wir schon wissen was Leistung ist.

FB: Da haben wir echt einen guten Kreis gemacht. Ich habe aber noch Fragen von zukünftigen Hörerinnen. Die ständische Hilfskraft hat auf dem Campus herumgefragt. Also wenn Menschen in Rente gehen, gibt es ja weniger Druck, Leistung zu erfüllen. Und was für einen Einfluss hat das auf die Psyche und die Physik?

BW: Das ist eine Frage für Mita!

MB: Das ist ja eine Frage für die Psychologinnen. Ich glaube, das Spannende ist tatsächlich zweierlei. Das eine ist in dem Moment, wo ich dann. Also angenommen, ich gehe in Rente, dann sage ich: Ich bin ja nutzlos für die Gemeinschaft. Das zeigt, dass ich diesen Leistungsdruck so intensiviert habe, so verinnerlicht habe, dass ich dem gar nicht entkommen kann. Weil nutzlos bin ich ja nur, wenn ich Leistung in Form von Lohn, in Arbeit sein, produktiv sein messe.

MB: Und in dem Moment, wo ich aber schaffe zu sagen, Gibt es nicht eine andere Art von Leistung ist Leistung oder ist ein gelingendes Leben. Nicht, dass ich dann Zeit mit meinen Kindern, Enkelkindern, mit meinen Freunden verbringe. Ist das nicht auch eine Form von Leistung? Dann habe ich mich erfolgreich diesem Leistungsdenken widersetzt. Und ich glaube, genau dahin wird es möglicherweise gehen.

MB: Und das würde ich mir wünschen, dass wir unsere eigenen Leistungskategorien hinterfragen können.

FB: Na ja, meine Eltern sind auch gut beschäftigt, seit sie in Rente sind.

MB: Und ich meine, das ist eigentlich spannend zu sagen, womit würde ich meine Zeit füllen, wenn ich nicht arbeite für die Uni, für den Betrieb? Fall ich dann in so ein Loch? Und das ist, glaube ich, einfach die so ein bisschen die Falle, dass ich einfach nur Produktivität in den Kategorien messe, die ich schon immer kenne.

FB: Okay, die zweite Frage war noch, wie Leistung sich im schulischen Kontext entwickelt hat. Also gibt es da auch Unterschiede im Leistungsempfinden oder in den Leistungsanforderungen zwischen Regelschulen und alternativen Schulform, also Waldorfschulen oder so was? Wisst ihr, dazu irgendwas?

BW: Da sind wir jetzt als Eltern gefragt? Glaube ich.

GF: Ich könnte tatsächlich aus meinem Projekt was dazu berichten. Denn dieses Zlín war gleichzeitig das Mekka der Reformpädagogik in der Tschechoslowakei und hat Ende der Zwanzigerjahre sämtliche Regelschulen abgeschafft und auf betrieblich finanzierte Versuchsschulen umgestellt. Und die waren ja die Hölle der Leistungsdifferenzierung muss man so sagen. Das waren Schulen, die der Form halber Gesamtschulen waren und eigentlich ihre Schülerinnen und Schüler in vier Leistungsklassen differenziert haben. Dieselben Leistungsklassen wie im Unternehmen bis hin zu der Konsequenz, dass man die schwächsten Schülerinnen und Schüler aus der Schule gedrängt hat, als würde man sie entlassen. Da hat man den Eltern nahegelegt, sie mögen doch bitte die Kinder in eine Schule ins Umland bringen, das sei hier nicht das Richtige für sie. Also da habe ich eine alternative Schule als System, die diesen Leistungsgedanken wirklich auf die Spitze treibt.

GF: Zu aktuellen Schulen kann ich, kann ich weniger was sagen.

BW: Ich finde, einen Trend, den man in den letzten Jahren beobachten kann, ist natürlich, dass zum Beispiel so eine neue Kategorie der Hochbegabten auf einmal schulisch eine Rolle spielt. Die gab es ja in der Form so noch nicht. Also es gibt zum Beispiel in Mainz Schulen, die Gymnasien, die die hochbegabten Klassen haben. Also das heißt, man muss vorher einen IQ- Test machen, um dort aufgenommen zu werden und dann kann man zum Beispiel in eine hochbegabte Klasse bekommen, das ist eine neue Entwicklung, die gab's so nicht früher, also nicht in der Form, es gab Elite Internate usw aber da wurde ja erstens kein IQ Test dafür gemacht, soweit ich weiß.

BW: Also zumindest kenne ich das so nicht. Und zweitens ist es natürlich so, dass man sozusagen davon ausgeht, die brauchen eine besondere Art von Betreuung, Anforderungen, Förderung vor allem. Und deswegen schafft man eine neue eigene Klasse. Es ist nicht nur ein Spitzengymnasium, sondern es ist auch noch eine eigene Klasse innerhalb dieser Schule, die dann diesen Status hat. Hochbegabte, das ist eine neue Entwicklung, die nochmal eine Ausdifferenzierung von Leistung vornimmt, Finde ich ganz interessant.

FB: Ja, dann würde ich aber sagen, haben wir auch quasi eine Punktlandung mit der Zeit. Vielen Dank

GF: Wir bedanken uns für die schöne Diskussion.

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