Gestik/Kommunikation: Mit den Händen Sprechen

Shownotes

Jürgen Streeck forscht seit den 1980er Jahren zu Gestik. Angefangen hat es damals damit, dass Videoaufzeichnungen auch für Sozialwissenschaftler:innen bezahlbar wurden. Somit entstanden neue Möglichkeiten, diesen Teil der Kommunikation aufzuzeichnen. Wir sprechen über die Anfangsjahre seiner Forschung im Café Montevideo und in WG-Zimmern, über verschiedene Arten von Gestik und darüber, ob sich Gestik in verschiedenen Zeiten und Regionen unterscheidet oder ob nicht doch die Ähnlichkeiten viel spannender sind. Jürgen Streeck ist Kommunikationswissenschaftler an der Universtität Austin in Texas. Im Podcast kommen zwei seiner Bücher zur Sprache: Der Self-Making Man Und Gesturecraft.

Wer mehr zu Gestik und Kommunikation wissen möchte, sollte unbedingt auch mal in „Talking Bodies“ hineinhören!

Der SFB 1482 Humandifferenzierung ist an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und am Leibnizinstitut für europäische Geschichte angesiedelt. Finanziert wird er von der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Podcast Team: Host: Friederike Brinker Producer: Marco Mazur studentische Hilfskraft: Tamara Vitzthum

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Kontaktieren könnt ihr uns natürlich auch per Mail: sfb1482.kommunikation@uni-mainz.de Foto: Stephanie Füssenisch

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Jürgen Streeck: Zentralen, sagen wir mal theoretischen Punkt meiner Arbeit geworden, dass ich glaube, dass Gestik also nicht in erster Linie mit dem zu tun hat, was in unseren Köpfen vorgeht oder in unseren Herzen. Sondern Gestik ist eine kommunikative Sprache, wenn man so will, die hervorgegangen ist aus der dem Engagement des menschlichen Körpers mit der materiellen Welt. Ja, also gestische Handlungen sind aus praktischen Handlungen abgeleitet.

Friederike Brinker: Hallo, wir sind das Podcast Team Friederike Brinker,

Tamara Vitzthum: Tamara Vitzthum

Marco Mazur: und Marco Mazur.

FB: Jürgen Streeck ist Professor für Kommunikationswissenschaft in Austin, Texas. Bei uns war letztes Jahr zur Summer School, wo er auch ein Vortrag über die Kommunikation mit seiner Katze gehalten hat. Heute geht es aber um Gestik.

MM: Als er seine Studien begonnen hat, gab es noch wenig Forschung dazu, wie dieser Teil der Sprache tatsächlich genutzt wird. Die Videotechnik erlaubt es ihm, zu einem der Pioniere der damaligen Geschichtsforschung zu werden.

MM: Sone und Solche - ein Podcast über Menschen und wie sie sich unterscheiden und wie die Kulturwissenschaften dazu forschen. Mit dem Sonderforschungsbereich Humandifferenzierung.

JS: Und als ich dann so weit war, selber an meiner Dissertation zu arbeiten, wurde Video bezahlbar. Sagen wir mal für die in der Regel nicht finanziell nicht sehr gut ausgestatteten Sozial- und Humanwissenschaftler. Und ich hatte eben die Gelegenheit, in den USA, wo ich zwei Jahre lang als Visiting Darkroom Student war, an der University of California in San Diego mit Video zu arbeiten und habe sofort also ein großes Interesse daran entwickelt, welche Rolle der Körper und Körperbewegungen in der Interaktion spielen. Ende der 80er Jahre habe ich in Berlin mit einer Gruppe von Magister Studenten angefangen, mit Videos zu arbeiten und wir haben uns damals gefragt Was wollen wir jetzt eigentlich machen mit diesen Video Geräten? Worauf wollen wir uns konzentrieren? Und damals haben wir uns in einem Cafe in Berlin getroffen Cafe Montevideo. Was wir dann in Cafe Montevideo umbenannt haben und haben dann beschlossen, Gestik zu untersuchen, weil Gestik offenbar eine große Rolle spielt in der Kommunikation. Damals aber noch, also ich will nicht sagen unerforscht war. Aber es gab damals kaum Untersuchungen darüber, wie tatsächlich empirisch Gestik benutzt wird. Es gab eine große Studie, die Ende der dreißiger Jahre entstanden ist in New York. Ein Mann namens David Efron hat damals die Gestik von Einwanderern aus Süditalien und jüdischen Einwanderern aus Osteuropa untersucht und verglichen. Und danach ist dann lange Zeit nichts mehr passiert. Und insofern sind wir mehr oder weniger zufällig zu Pionieren in der Erforschung von Gestik geworden. Und Gesten wie Erforschung von Gestik ist inzwischen ein breites Forschungsgebiet. Was in der Kognitionswissenschaft, in der Psychologie, Anthropologie, Linguistik, Kommunikationswissenschaft. Und so weiter. Also von vielen Leuten untersucht wird mit verschiedenen Methoden, verschiedenen Schwerpunkten. Das sage ich deshalb, weil Gestik eben sehr reichhaltiges Kommunikationsmedium ist, was ganz verschiedene Funktionen hat, eine hohe Komplexität hat. Und aus diesem Grunde mich auch über 20 Jahre lang beschäftigt hat.

FB: Wie seid ihr damals vorgegangen? Also habt ihr einfach irgendwo eine Kamera aufgestellt, oder?

JS: Das war sozusagen, wenn man so will, innerhalb experimentelle Situation oder eigentlich keine experimentelle Situation, aber wenn man so will gestellt. Wir haben Leute, also Studenten eingeladen zu uns jeweils ein und eine Studentin gefragt, ob sie bereit wäre, sich mit einer Freundin oder einem guten Freund vor der Kamera sozusagen zu unterhalten. Die haben wir dann in ihrem bei ihren Gesprächen, die bei uns in unseren Wohnungen oder so stattfinden, aufgenommen. Also wir haben die Kamera aufgestellt, sind dabei geblieben, haben mit den Leuten geplaudert und sind dann gegangen und was übrig geblieben ist, waren dann 20 bis 40 Minuten Gespräche zwischen Leuten, die auch ohne unserr Zutun sozusagen regelmäßig miteinander gesprochen haben. Wir haben damals Aufnahmen in sechs verschiedenen Sprachen gemacht, also Japanisch, Thai, Deutsch, Spanisch. Und so weiter. Und ursprünglich mal mit dem Ziel, das zu vergleichen. Also Kulturvergleich der Gestik zu machen sind dann aber schnell zu der Einsicht gelangt, dass was eigentlich interessanter ist als die letztlich geringfügigen kulturellen Unterschiede, die es gibt, die Universalität von Gestik ist und das erste, was mir aufgefallen ist, mein erstes Finding, wie man sagt, war, dass Gestik auch mit nicht nur mit Sprache, mit der mit der gesprochenen Sprache koordiniert ist, sondern auch mit Blickrichtung. Und damals, also was mir aufgefallen war, war, dass Sprecher, wenn sie gestikulieren, gelegentlich auf ihre eigenen Hände schauen. Und das haben wir festgestellt bei Japanern eben eigentlich bei allen Leuten, die wir gefilmt haben, ganz egal, wo die herkamen. Und ich habe mich dann gefragt, Wann machen die das? Und warum machen die das? Und was passiert da gleichzeitig noch? Und da hat sich herausgestellt, das passiert immer dann, wenn Menschen mit den Händen etwas beschreiben. Ja, also wenn ich zum Beispiel erzähle, dass ich irgendwie ein Haus besichtigt habe von einem berühmten Architekten und dann die Gestalt, die Form dieses Hauses mit den Händen darstelle, dann schaue ich mir dabei kurz auf die Hände. Im Deutschen heißt das oft mit dem kleinen Wort so koordiniert. Ich kann sagen, es war so groß. Und jetzt mache ich eben eine Geste, die die Größe zeigt und das dient offenbar dazu, einerseits die Aufmerksamkeit des Gegenübers auf die Geste zu lenken, also praktisch mitzuteilen Du musst aber wenn du wirklich verstehen willst, was ich dir mitteilen möchte, musst du auch meine Gestik sehen. Gleichzeitig sieht aber auch der Sprecher selbst dann in dem Augenblick die Sprecherin selbst, in dem Augenblick ihre Gestik. Normalerweise sehen wir unsere eigenen Gesten nicht. Wir fühlen sie aber wir sehen sie nicht, weil wir zum anderen schauen. Und da wir wir in diesen Momenten auf unsere eigenen Hände schauen, können wir auch zum Beispiel merken, dass es irgendwie eine Fehlkoordination zwischen Geste und Wort sozusagen gibt. Und dann findet man, dass sich der Sprecher und die Sprecherin dann korrigieren, um erzeuge das Gesprochene der Geste, die gemacht worden ist, anzupassen.

FB: Also die Geste hilft nicht nur dem Gegenüber zu verstehen, was wir erzählen wollen und quasi klar zu machen, was wir, was wir gerade berichten, sondern auch uns selber.

JS: Genau. Und also und das auch dann, wenn man das nicht nur sieht. Also wenn man es, wenn man die eigene Geste sieht, tritt sie vermutlich rascher oder stärker zu Bewusstsein als sonst. Aber es gibt ja auch eine kinesthetische Wahrnehmung, also die Wahrnehmung der eigenen Körperbewegung. Und ich würde argumentieren, dass es gibt also beispielsweise eine Art von Gesten, mit denen wir sozusagen zeigen, was für eine, was für eine sprachliche Handlung oder kommunikative Handlung wir jeweils gerade vollziehen. Also zum Beispiel etwa dem Gegenüber den Turn zu übergeben, das Rederecht zu übergeben.

JS: Und das spüren wir sozusagen auch innerlich. Also die Geste gibt uns sozusagen eine Rückkopplung dafür oder davon, was wir jeweils kommunikativ tun, was für Handlungen wir vollziehen. Und als am Rand kann man da bemerken das deutsche Wort Handlung, mit dem wir also alle möglichen Handlungen, auch Sprech, Handlung u.a. meinen, von der Hand abgeleitet ist also handeln. Man handelt in erster Linie mit den Händen. Also das suggeriert, so sagt zumindest die Etymologie des Wortes.

FB: Heißt das, die Hände sind beim Sprechen dann auch sogar noch wichtiger als die Mimik oder die Körperhaltung.

JS: Was sehr interessant ist ist oft, dass die gestische Handlung, dass es eine Übereinstimmung gibt zwischen der gestischen Handlung und der der begrifflich sprachlichen Begrifflichkeit, mit denen wir etwas Kommunikatives bezeichnen. Also wenn ich sage, das lassen wir mal mal beiseite, wir lassen das ja im Gespräch nicht wörtlich beiseite, sondern in dieser Geste lassen wir beschäftigen uns nicht mit dem Thema, aber ich mach halt mit dem Wisch Bewegung zur Seite und sag gleichzeitig das lassen wir mal beiseite. Also es gibt da eine Übereinstimmung. Also es gibt auch etliche Leute, die sich mit Gestik als mit den Metaphern in der Gestik beschäftigen.

FB: Was gibt es noch für Gesten?

JS: Dann gibt es eben beschreibende Gesten, aber man muss vorsichtig sein. Der Begriff Geste suggeriert leicht, dass das ist, sozusagen, dass das Gesten wie Worte sind. Das ist wie ein Lexikon der Gesten gibt. Aber das ist nicht der Fall. Es gibt zwar Gesten mit festgelegten Bedeutungen wie also das Victory Zeichen oder der sogenannte Stinkefinger oder das Zeichen für okay oder so, die sind aber, spielen oder ganz geringe Rolle in der Alltagskommunikation. Und wir improvisieren auch sehr viel, wenn wir gestikulieren. Also ich habe mich ausführlich mit beschreibenden, beschreibender Gestik sollte ich sagen beschäftigt und da würde ich sagen, es gibt Methoden, mit denen man Objekte, Plätze, Handlungen, Ereignisse usw gestisch beschreiben kann. Aber es gibt nicht sozusagen oder beim beschreibenden Gestikulieren benutzt man nicht festgelegte oder Gesten mit einer festgelegten Bedeutung, sondern man improvisiert aber methodisch. Also beschreibende Gesten gibt es. Also biete ich eine Auffassung an, eine Meinung, eine Stellungnahme. Und so weiter. Also biete Gesten könnte man das nennen. Und dass diese Gesten findet man also sehr häufig in beiden Spielarten. Also entweder, indem man über die Geste, Konzeptualisierung, das, worüber man spricht, oder einen Aspekt dessen, worüber man spricht oder sie Konzeptualisiert das Sprechen selbst, das Kommunizieren selbst gut. Und dann gibt es noch solche Gesten, beispielsweise wie man sie bei mir auf dem Markt oder so macht, wenn man mal zeigt, wie viel man dafür bezahlen will oder. Ich habe Ende der 80er Jahre war Ich war in Westberlin halt, da war waren zum Ersten Mal die Grenzen offen für Menschen aus Polen. Die durften ausreisen, durften nach Westberlin ausreisen, also nicht ausreisen, sondern für einen Tag oder ein Wochenende nach Berlin reisen. Und damals bildete sich innerhalb kürzester Zeit ein Schwarzmarkt. Irgendwie, irgendwie ganz traditionellen Sinne, wo vor allen Dingen polnische Verkäufer und türkische Käufer miteinander interagieren. Und da hat sich in kürzester Zeit sozusagen eine Gestensprache entwickelt, mit denen diese Transaktionen abgewickelt wurden. Ja, ähnlich sind Begrüßungsgeld hießen. Dass das also ritualisierte Gesten, Gesten, die mit denen eine bestimmte interaktive Aktivität abgewickelt wird.

JS: Handschlag ist eine Geste, und Gesten sind natürlich nicht nur Hand Gesten. Man könnte auch irgendwie das Heben der Augenbrauen bei einer Begrüßung als eine Begrüßung Geste bezeichnen oder Gesten, Gesichts Gesten, mit denen man sein Missfallen kundgibt oder zeigt, dass man nicht versteht, was der andere sagt. Auch das wären Gesten, also ich habe mich vor allen Dingen mit Handgesten beschäftigt.

FB: Was ich auch noch spannend finde. Du hattest ja auch dieses andere Buch Self Making Man. Ja, genau dieses Self Making men, wo du quasi einen Mechaniker ganz genau beobachtest. Wie kam es dazu? Und was ist der Mehrwert davon, quasi einen eine Person so ganz detailliert zu beobachten?

JS: Also zwei Sachen Zunächst also zum Titel Self Making Man. Der Mensch, den ich da untersucht habe, ist ein typischer amerikanischer Self Made Man, ein Einwanderer aus dem Libanon, der zum erfolgreichen Small Business Mann geworden ist, indem er eine Autoreparaturwerkstatt aufgebaut hat. Und ich habe da zwei Dinge interessiert. Einmal im Hinblick auf Gestik, dass mir irgendwann aufgefallen ist und eigentlich ist das kann man sich, das hätte ich mir das auch ausdenken können. Aber ich habe es halt beobachtet, dass der immer hin und her geht, wenn er meinetwegen Kunde bringt, das Auto, sein Auto, ihr Auto in die Werkstatt und er versucht festzustellen, was das Problem ist und dabei manipuliert er den Motor oder den Vergaser oder so was. Und die Kundin beobachtet ihn dabei und er erklärt immer, was er tut. Und da sieht man oft, wie erst eine praktische Handlung, also am Objekt Vergaser sagen wir mal vollzogen wird, die dann gestisch nachvollzogen wird. Also die Geste ist entspricht in der Form genau den praktischen Handlungen und dem Schrauben, herausziehen, reinstecken, umdrehen undsoweiter. Und die wird dann einfach gestisch nachgebildet, also die Hände werden sozusagen vom Objekt abgezogen und spielen dann das nach, was gerade am Objekt stattgefunden hat.Und diese Beziehung zwischen praktischen Handlungen und gestischen Handlungen hat mich interessiert. Und das ist dann irgendwie auch zu einem zentralen, sagen wir mal theoretischen Punkt meiner Arbeit geworden, dass ich glaube, dass Gestik also nicht in erster Linie mit dem zu tun hat, was in unseren Köpfen vorgeht oder in unserem Herzen, sondern Gestik ist eine kommunikative Sprache, wenn man so will, die hervorgegangen ist aus der dem Engagement des menschlichen Körpers mit der materiellen Welt. Ja, also gestische Handlungen sind aus praktischen Handlungen abgeleitet. Und wenn ich mal mit meiner nackten Hand, sozusagen meiner leeren Hand, eine Bewegung mache, mit der ich sonst was beiseiteschieben kann, dann ist das ein Beispiel dafür. Du siehst das, und du verstehst, was es bedeutet und wie das aussieht, wenn man was beiseite schiebt. Und damit wird das dann bezogen auf den kommunikativen Kontext, verstehst du heißt, dass ich damit ein Thema beiseiteschieben kann. Also mein Thema ist kein materielles Objekt, aber das geht damit so, als wäre es eins. Also leider habe ich das Zitat nicht genau im Kopf, aber ein Gestenforscher, der mich sehr stark beeinflusst hat, der hat gesagt Also auch wenn wir kommunizieren, dann sind wir weiter, sozusagen Tiere oder also Lebewesen, die körperlich mit der materiellen Welt und auch der menschlichen Umwelt natürlich oder der lebenden Welt beschäftigt sind. Das ist das eine, also diese Beziehung zwischen praktischem Tun und gestischen Tun, die mich interessiert hat. Und dann hat mich ganz naiv sozusagen die Frage interessiert Was macht ein Mensch? Immer ein spezifischer Mensch, natürlich kommunikativ im Laufe eines Tages, in diesem Fall eines Arbeitstages.

FB: Ich wollte auch noch wissen, es unterscheiden sich die Gesten. Also du lebst ja in Texas. Unterscheiden sich die Gesten da von denen hier in Deutschland? Oder ist es Du meintest ja von der Unterschied ja gar nicht so groß, wie man denken würde.

JS: Ja, also mein Buch Gesture Craft. Das fängt an mit einem Zitat von Georg Forster, der ja hier in Mainz sehr bekannt ist aus seinem Buch Reise um die Welt und der Bericht über die Reise, die er mit seinem Vater, mit Captain Cook gemacht hat. Und das Zitat beschreibt eine Ankunft auf der Insel Tanna. Heute heißt es Vanuatu und das eine witzige Situation. Wie überall wollen Captain Cook und seine Leute also nicht nur die Küste, sondern auch das Innere des der Inseln erforschen. Und Georg Forster beschreibt dann, wie sich die Indianer, wie das da heißt, ihnen in den Weg stellen und ihnen durch Gestik zu verstehen geben, dass wenn sie weiter vordringen, dass da Kannibalen gibt. Das Forster beschreibt dann, wie Captain Cook und seine Leute absichtlich das mißverstanden haben als eine Einladung zum Essen. Ja, und dann die Eingeborenen, die Indianer, ihn aber durch ein sozusagen Upgrading ihrer Gestik zu verstehen gegeben haben, dass es ihnen sehr ernst damit ist. Und dann heißt es irgendwie Daraufhin verließen wir den Ort. Na ja, das heißt, das ist ein Zeichen, dass man eigentlich eine Geste, gerade eben das Fehlen einer gemeinsamen Sprache überbrücken kann. Was ich daran interessant finde und das ist, ist, dass die Gestenforschung, die ja im alten Rom begann, als eine der großartigsten Studien über Gestik kommt, von dem Rhetorik Lehrer Quintilian ist also über 2000 Jahre alt. Da bis ungefähr um 1900 war die Idee sehr verbreitet, dass Gestik die Ursprache der gesamten Menschheit ist. Ja, ominem, hominem, hominem, communis sermo heißt es bei Quintilian, also die gemeinsame Sprache der gesamten Menschheit. Und um 1900 fängt das an zu kippen, sozusagen. Und seitdem ist überwiegend das Interesse an kulturellen Unterschieden in der Geste. Ich betrachte das als ein Phänomen unseres Zeitgeistes, dass wir sehr interessiert sind an kulturellen Unterschieden. Aber ich würde sagen, die das ist peripheres Problem. Wenn Sie in Reisen Reiseführer gucken oder Bücher über interkulturelle Kommunikation, werden Sie immer wieder darauf hingewiesen, dass man aufpassen soll, weil bestimmte Gesten, die bei uns das eine meinen, woanders was anderes meinen konnten. Das ist aber wiederum nur dieser ganz schmale Bereich von Gestik, der tatsächlich konventionalisiert ist, wo Gesten, Feste Bedeutungen haben, während die spontane, improvisierte Gestik bis heute,

FB: Also diese Handbewegung, die wir hier die ganze Zeit machen, die irgendwie

JS: ja und auch also wenn Sie nach dem Weg fragen und Sie sprechen aber die lokale Sprache nicht meistens wird ihnen dann doch gezeigt werden, wie mit den Händen, nur wie sie gehen müssen, wohin sie gehen müssen. Oder wenn Sie irgendwo einen Motorroller ausleihen wollen und nicht die Sprache sprechen des Vermieters, dann wird er ihnen trotzdem gestisch sozusagen zeigen können, wie man wie man bremst, wie man schaltet. Und so weiter. Für mich ist das interessantere die, also das Brücken schlagen durch Gestik als die kulturellen Unterschiede, die gibt es natürlich, aber die sind schlecht dokumentiert und auch schlecht dokumentierbar. Weil man müsste eine Unmenge von Material sammeln, um wirklich zu demonstrieren, dass im Alltag eben Gestik anders funktioniert oder andere Formen benutzt waren. Es gibt allerdings Leute, deren Arbeit man absolut ernst nehmen muss, die argumentieren und versuchen, das experimentell anders zu zeigen, dass je nachdem, wie bestimmte Sprachen funktionieren, auch die Gestik anders aussieht. Also das hat es untersucht worden an sogenannten Bewegungsverben, also Verben, die Bewegungen beschreiben, wo es bestimmte typologische Unterschiede gibt, ob man also den Ursprung der Bewegung, das Ziel der Bewegung und die Form der Bewegung und die Richtung sozusagen der Bewegung, was da jeweils in dem Verb codiert wird. Und dann ist eben die Frage, ob die Gestik sozusagen diesen Unterschieden entspricht, also eher die Richtung oder eher die Form der Bewegung beschreibt. Das dazu werden Untersuchungen gemacht, welche Ergebnisse die erbracht haben, Das ist umstritten, sagen wir mal und mit Gestik habe ich mich deshalb so lange beschäftigt, weil es eben ein sehr komplexes Kommunikationsmedium ist, über das also bis vor kurzer Zeit kaum empirisch geforscht worden ist. In letzter Zeit habe ich auch angefangen und da ist meine Katze auch maßgeblich, mich mit Berührung als Form von Kommunikation zu beschäftigen. Und na ja, also.

FB: Das heißt die Beziehung zur Katze wurde dann auch über diese Berührung aufgebaut, oder?

JS: Genau. Also Berührung spielt da natürlich eine große Rolle, aber auch da gilt also, obwohl uns das alltäglich im Alltag, in unserem eigenen Alltagsleben völlig klar ist, wie wichtig Berührungen sind. Also wir zehren alle irgendwie davon berührt zu werden und andere Lebewesen zu berühren. Aber was genau da eigentlich stattfindet, was für Formen von Berührungen es gibt, welche Berührungen als besänftigend, als aufbauend oder als störend empfunden werden, wie Berührungen mit anderen Modalitäten des Kommunizierens verbunden sind, darüber wissen wir irgendwie noch wenig. Und das ist das, was mich eigentlich an diesem ganzen Forschungsgebiet interessiert dass wir zwar alles das aus dem Alltag kennen, also wir entdecken nicht, wie Atomphysiker irgendwie neue Elementarteilchen oder vielleicht tun wir das doch, aber wir untersuchen eigentlich etwas, was allen aus dem Alltag vertraut ist, und wir befremden das sozusagen. Also etwa arbeite ich mit Slow Motion Zeitlupe, wenn ich meine Videos untersuche, was einen bestimmten Verfremdungseffekt hat und aber eben das, dass wir zwar alle den Alltag erleben und produzieren und die Kompetenzen besitzen, ihn zu produzieren, aber trotzdem immer noch nicht sozusagen ganz genau wissen, was da eigentlich alles stattfindet. Und das ist jetzt eben möglich geworden Und dadurch, so erklärt sich auch also die Breite dieser Untersuchungen, die vielfalt von Studien, die da gemacht werden, das ist technisch möglich geworden, seit es Film gibt. Praktisch ist das möglich geworden, seit Wissenschaftler sich ein nicht ein iPhone, aber eben Video Recording Gerät leisten kommen können sozusagen. Ja, also seit Video irgendwie seit es consumer video gibt, gibt es auch dieses Forschungsgebiet.

FB: Ja klar, Dass ich spontan Handy zücken und alles filmen kann, ist natürlich hilfreich dabei.

JS: Ja und ich habe halt auf meinem Handy eine hochwertige Kamera Filmkamera inzwischen und dann brauche ich nur mehr die Dateien dann auf meinen Laptop zu bringen. Da kann ich sie dann irgendwie untersuchen. Und als ich angefangen habe, hat man 20 Kilo, 30 Kilo Geräte irgendwie durch die Gegend geschleppt und hatte dann am Ende 20 Minuten Schwarzweiß Video in schlechter Auflösung.

FB: Du hast auch vorhin erzählt, dass du für die erste Kamera, dass es fünf Jahre gedauert hat, bis der Antrag durchkam.

JS: Genau, Also damals war das irgendwie noch nicht für jeden erreichbar, aber das war dann eine Frage der Zeit.

FB: Eine Frage, die ich am Ende ganz gerne noch stelle, ist Was würdest du machen, wenn du nicht Kommunikation Wissenschaftler wärst? Also ich wollte gerne mal Architekt werden. Kunstgeschichte interessiert mich sehr. Ich wollte mal Dokumentarfilmer werden. Gute Frage. Ich habe das Gefühl, dass ich irgendwie auf vielen Umwegen und unerwartet und inzwischen arbeite ich mit Videos, Filme interessanter Menschen an interessanten Schauplätzen und habe das Gefühl, eben auf Umwegen mehr oder weniger doch zu dem gekommen zu sein, was ich gerne mal machen wollte. Also nicht als Architekt, aber ich bin kein Dokumentarfilmer, aber ich arbeite mit Film.

FB: Und ja, du lebst ja schon sehr lange in Texas. Wie ist es da, zu forschen und zu lernen, lehren?

JS: Leichter, haha. Ja, also meine Lehrverpflichtung sind erheblich geringer als die meiner Freunde, die in Deutschland Professor geworden sind. Die Universität ist viel weniger bürokratisch, als ich damals das jedenfalls in Deutschland erfahren habe. Zum Beispiel, Als ich in Berlin dann weggegangen bin, präsentierte mich der Verwaltungsleiter unseres Departments mit einer Rechnung und entweder konnte ich die Rechnung bezahlen oder ich sollte die ganzen Videobänder, auf denen ich meine Daten aufgenommen habe, zurückzugeben. Also es war nicht der Wert der Daten, sondern der Wert des Rohmaterials, sozusagen, um den es ging. Und da vor ein paar Jahren eben sehr aktuell war, war das Coming out Coming out to your parents. Und so weiter. Das wurde dann waren keine realen Situationen, die untersucht wurden, sondern wie Leute das erinnert haben, verarbeitet haben, beschrieben haben. Und das sind für mich zwei verschiedene Realitäten. Was tatsächlich stattfindet zwischen Menschen und das, was dann das einzelne Individuum erinnert oder dazu denkt. Und so weiter. Und ich finde, wenn man wirklich herausfinden will, wie Kommunikation funktioniert, dann muss man eben untersuchen, wie Kommunikation funktioniert. Aber insgesamt. Also kann ich mich nicht beklagen. Wir haben eine großartige Bibliothek und also Unterstützung von der Uni und so

FB: Ja, Habt ihr noch Fragen?

MM: Ich habe tatsächlich eine Frage. Gibt es denn Gestiken, die wir sozusagen in die Wiege gelegt bekommen? Zum Beispiel die Schutz Geste jetzt, wenn ich dran denke Kleinkinder. Es gibt wahrscheinlich viele Gesten, die wir erlernen, uns abschauen oder diesen symbolischen Wert haben, wie schon der erwähnte Mittelfinger oder das Heavy Metal Symbol oder so was. Aber wenn man sagt hier, ich möchte mit diesem Thema nichts zu tun haben und streckt beide Hände von mir weg, das ist wie so ein Lied. Also Gesten Pool gibt, der sozusagen schon fast angeboren ist, weil er natürlich ist.

MM: Also ich würde nicht vermuten, dass das die dass Gesten, also Hand Gesten angeboren sind. Am Rande dazu. Da gibt es bei Charles Darwin, der ein wunderbares Buch geschrieben hat, über den Ausdruck Emotion bei Menschen und Tieren. Der vertrat damals die These, dass einer ein Kind oder ein Mädchen, was in Frankreich aufgewachsen ist, die angeblich die gleiche Gestik hatte wie der Großvater in England. Der meinte tatsächlich, dass so was vererbt wird. Ja, ich würde vermuten, dass Kinder also von sehr früh an und vermutlich auch bevor sie wirklich sprechen lernen und Gesten, bestimmte Gesten lernen. Und es gibt sicherlich eine Natürlichkeit dabei, also die Zeige Geste, die manche Leute schon seit langem als aus dem Aus Greif Handlungen abgeleitet betrachten. Ja, also zeige Gesten sind sicherlich vermutlich die ersten Gesten, die die meisten Kinder machen und nein, ich würde würde meinen. Also Gesten werden durch die Beobachtung von Bezugspersonen gelernt. Genau.

JW: Also meine Frage wäre, ob du in deinen Forschungen auch beobachten konntest, dass sich Gestiken über die Zeit oder über die Jahre auch verändern. Also jetzt zum Beispiel mal das jetzt in der Corona von der Uni bemerkt, dass man sich immer die Hand gegeben hat zum Beispiel. Aber ob du auch in anderen, ja alltäglichen Begegnungen das gemerkt hast?

JS: das sind eben Fragen, die sehr schwer zu beantworten sind, weil wir eben ja, wir müssen sozusagen ganze Populationen über die Zeit dokumentieren, um solche Veränderungen vorzunehmen. Das ähnliche Problem ist mit den kulturellen, der Frage der kulturellen Unterschiede in der Gestik. Ich gebe noch mal ein Beispiel Ich habe auf den Philippinen Forschung gemacht in den 80er Jahren und damals sozusagen eine Geste gefunden, die ältere Leute machten, wenn sie Geschichten erzählen. Und am Beginn sozusagen jedes neuen Kapitels machten die sozusagen eine Geste der offenen Hand, also die Hand mit der Handfläche nach oben. Und dann wurden Objekte sozusagen oder Personen auf dieser Handfläche gesetzt, also oder es wurde gezählt. Und so weiter. Und als ich mit Leuten in den Philippinen oder Philippinos oder Philippinas in Deutschland darüber gesprochen hab, bekam ich die Antwort Ja, ich erinnere mich. Alte Leute machen das. Aber die gleiche Geste habe ich auch bei amerikanischen Sprechern, bei Präsident Obama usw also gefunden. Und jetzt ist die Frage eben wenn solche Gesten konventionalisiert sind, in welchem, was ist der Kulturraum, in den diese Geste gemacht wird? Dazu gibt es also es gibt so was wie Gesten, Archäologie, es gibt ein Buch. Es gibt also einerseits den habe ich schon erwähnt, den römischen Rhetoriker Quintilian, der mit einer Präzision Gesten beschrieben hat, dass man sich fragt wie war das möglich? Oder wie sich das der so genau, also auch die Koordination von Sprache und Gestik beschreiben konnte. Aber von daher gibt es genaue Beschreibungen bestimmter Konventionen, analysierte und damals also von ihm jedenfalls auch normativ gesetzter Gesten, also Gesten, die man an der Stelle machen darf und sollte, aber nicht an der oder Beschreibungen, wie wenn das da die Geste mit der Äußerung zu Ende kommen soll, wo soll man dann muss man anfangen, damit man zeitgleich mit dem mit der gesprochenen Äußerung zum Ende der Geste kommt? Also eine sehr präzise Dokumentation gibt es sozusagen aus dieser Zeit. Und dann hat 1832, glaube ich, ein italienischer Archäologe, DeGiorgio, Andrea DeGiorgio die Gestik, in der ein Buch geschrieben über die Gestik in Neapel und in der klassischen Antike. Ja, der hat sozusagen rekonstruiert oder dokumentiert, welche Gesten, die schon bei Quintilian und anderen beschrieben wurden, Cicero damals in Neapel noch im Gebrauch waren und dann gibt es eine Studie von Desmond Morris, der sonst als ja als Körpersprachenexperte Verhaltens, wie sagt man Verhaltensbiologie irgendwie bekannt war. Und die haben Studien in verschiedenen Teilen Europas gemacht, um zu festzustellen, ob die Gesten heute noch im Gebrauch sind und wo. Also für diese konventionellen Gesten gibt es ganz gute Studien, die deren kulturelle Verbreitung sozusagen zeigen. Aber wie gesagt, das ist immer nur ein sehr geringer Teil uns unseres Gestikulieren. Und da ich mich eben die ganze Zeit über mit versucht hab, mit dem Gesamt der Gestik zu beschäftigen, ist das immer eine der ersten Sachen, die ich sage, wenn ich mit Menschen rede. Die sich halt nicht berufsmäßig damit beschäftigen, dass Gestik eben sehr viel mehr ist als solche konventionellen Gesten, die in der Forschung als Embleme bezeichnen, bezeichnet werden.

FB: Ja, nun, wir sagen dann vielen, vielen Dank. Sehr spannend. Dankeschön.

JS: Es war mir ein Vergnügen. Wenn ihr noch mehr über Gestik wissen mögt, kann ich euch den Podcast Talking von Silvia Ladwig und Jana Bresser empfehlen, der sich ungefähr monatlich mit Themen rund um Gestik beschäftigt.

MM: Nächsten Monat sprechen wir mit Christopher Hohl und Theresa Schweden. Christopher Hohl ist Ethnologe und forscht zum Albinismus in Nigeria. Theresa beschäftigt sich mit Sprache und Behinderung und kann als Wissenschaftler mit Albinismus auch aus eigenen Erfahrungen berichten.

MM:

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